Die Anfänge der Modelleisenbahn:
Bing, die Modelleisenbahn unserer Großeltern

Anmerkungen zum Vortrag

Heute möchte fast jeder Junge Astronaut werden und benötigt unbedingt einen PC und ein Smarthphone, Um 1850 wollte jeder Junge einen Eisenbahnzug … Schon damals stellte die Spielzeugindustrie Lokomotiven her. Die Materialien waren Blei, Holz und Zinn. Es gab sogar Spielzeuglokomotiven mit Dampfantrieb. In England hießen sie „Dribbler” (Sabberer), da sie eine Wasserspur auf dem Fußboden hinterließen.

1891 revolutionierte Märklin den Markt durch eine Spielzeugeisenbahn mit Uhrwerkantrieb auf Schienen. Zur Jahrhundertwende um 1900 drehten bereits mit Elektrizität und Dampf betriebene Züge ihre Runden um den Weihnachtsbaum. War das Weihnachtsfest vorbei, wurde die Spielzeugeisenbahn wieder abgebaut, um zu besonderen Anlässen erneut aufgebaut zu werden.

Ein weiterer wesentlicher Schritt erfolgte 1922 durch die Firma Bing. Die Bing-Tischeisenbahn mit einer Spurweite von 16,5 mm war so klein, dass sie als Tischbahn auf einem großen Tisch zu betreiben war.

Die Gebrüder Bing begannen 1879 in Nürnberg mit der Herstellung von Blechspielzeug. In dieser Zeit entstanden in Nürnberg viele heute noch bekannte Firmen jüdischer Inhaber: die Fahrradfabrik Hercules, die Schuhfabrik Medicus, das „Waarenhaus” Hermann Tietz (nach der Arisierung wurde es in „Hertie” umbenannt) und eben die Spielwarenfabriken der Gebrüder Bing.

Zu Beginn des 1.Weltkrieges war Bing als Hersteller von Verkehrsspielzeugen, Dampfmaschinen und optischen Spielzeugen international bekannt.


Die Fa. Gebr. Bing und das Blechspielzeug

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es einige hundert Familienbetriebe im Bereich Nürnberg, die aus Weißblech Blechspielwaren herstellten. Deren Produkte wurden an Handelshäuser gegeben. Die Vertreter der Handelshäuser bereisten mit ihren Musterbüchern ganz Europa und belieferten den Einzelhandel.

Es entwickelten sich Handwerksbetriebe in Nürnberg. Deren Entwicklung zu Großbetrieben wurde durch zwei Ereignisse wesentlich gefördert:

  • Durch die Einführung der Gewerbefreiheit. Die Gewerbefreiheit ist die jedermann zuerkannte Befugnis, jedes beliebige Gewerbe selbstständig ohne Erfüllung von Vorbedingungen zu betreiben. Die entsprechende Gewerbeordnung wurde deutschlandweit am 21. Juni 1869 aufgestellt.
  • 1870/71 wurde das Deutsche Reich gegründet und die innerdeutschen Grenzen wurden aufgehoben. Die Zeit von 1871 bis 1873 hat den Namen Gründerzeit erhalten, denn viele Firmen wurden gegründet. In den Folgejahren brachen viele dieser Firmen wieder zusammen (Gründerkrach).

Eine für die Blechspielzeughersteller wichtige Innovation war die Einführung des farbigen Blechdrucks (Lithographie). Sie setzte sich ab etwa 1890 durch.

1866 gründeten Ignatz und Adolf Bing einen Handelsbetrieb. Sie begannen ab 1879 nach und nach, die von ihnen verkauften Waren selbst zu fertigen. 1885 beschäftigte Bing bereits 500 Mitarbeiter. 1895 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Vor dem Ersten Weltkrieg bezeichnete sich Bing als die „größte Spielwarenfabrik der Welt”. Das Unternehmen hatte rund 5000 Beschäftigte und zahlreiche Niederlassungen in Deutschland und im Ausland.

Ignatz Bing verstarb 1918. In den 1920er Jahren diversifizierte die Firma. Bing hatte 1879 mit der eigenen Fertigung von Spielwaren begonnen. Finanzielle Probleme zwangen 1932 zur Einstellung der Spielzeugproduktion, um andere Konzernteile zu retten.

Die Firma Bing vertrieb ihre Bing-Tischbahn von 1922 bis 1932. Ab 1932 bis 1937 wurde die Tischbahn von der Nürnberger Firma Karl Bub als „Karl Bub Miniatur Eisenbahn” produziert und verkauft.

Wohl am bekanntesten ist die weiter unten abgebildete 2-4-0 Tenderlokomotive. Es gab sie mit Uhrwerkantrieb und später auch mit Elektroantrieb in verschiedenen Ausführungen, beispielsweise von der GWR und der L&NWR, oder als amerikanische Westernlok mit Kuhfänger.

Auch der Mitinhaber und Konstrukteur Stephan Bing blieb im Tischbahngewerbe. Er wechselte von Bing zu den „Trix vereinigte Spielwaren-Fabriken, Nürnberg” und brachte dort seine Ideen zur Entwicklung einer neuen Modelleisenbahn im Maßstab 1:90 ein. Dabei entstand die Nenngrößenbezeichnung 00. Sie hat heute eine etwas andere Bedeutung, vergleiche bei Spurweiten.

Mindestens zwei ehemalige Mitarbeiter von Bing machten sich erfolgreich selbstständig:

  • 1912 gründete der Mustermacher Heinrich Müller zusammen mit Heinrich Schreyer die Firma Schreyer & Co. Der Name Schuco wurde 1924 eingetragen. Schuco wurde 1976 aufgelöst. Heute werden Schuco-Replica hergestellt und verkauft.
  • Am 11.Juni 1935 meldete Johann Biller (7.8.1898–25.6.1980) zusammen mit seiner Frau rückwirkend zum 2.Mai 1935 seine eigene Firma an. Ihr bekanntestes Nachkriegsprodukt ist die „Biller-Bahn”, eine robuste, qualitativ hochwertige Lorenbahn. Die Firma ging 1977 in Konkurs.
Heute (2003) steckt die deutsche Modelleisenbahnindustrie ziemlich in der Klemme. Die Begeisterung für Modelleisenbahnen erreichte zwischen 1960 und 1980 ihren Höhepunkt. Die meisten Käufer sind heute 50 Jahre und älter. Sie achten sehr aufs Detail und leider auch auf den Preis. Häufig sind sie nicht bereit, für eine neue Lokomotive einig hundert € auszugeben. Die Entwicklungskosten für eine neue Modelllokomotive liegen jedoch (laut Märklin) im Bereich von 1 bis 2 Millionen €.

Vortrag von Herrn Dieter Brommann,
gehalten am 30.11.1990 anlässlich der Ausstellungseröffnung
Ein Blick ins Kinderzimmer unserer Großeltern
unter dem Thema

Bing, die Modelleisenbahn unserer Großeltern

Herr Brommann berichtete über die Anfänge der Modelleisenbahn und die Firma Bing. Sein Vater hatte aus einer Konkursmasse für uns Jungen (oder für sich) eine große Eisenbahn gekauft, Spur 1, große Wagen und Lokomotiven. Das war um 1932 herum, als die Firma Bing ihre Spielzeugproduktion eingestellt hatte.

Auf der Ausstellung befand sich eine aufgebaute und in Betrieb befindliche große Modellbahn, die zu über 90% aus Bing-Artikeln der Spur 1 im ungefähren Maßstab 1:35 bestand.

In dem Vortrag führte Herr Brommann weiter aus, dass Bing zeitweise der größte Spielzeughersteller der Welt mit Vertretungen in allen Ländern einschließlich Russland war. Demnach hatte Bing vor dem Ersten Weltkrieg allein in Nürnberg 5000 Mitarbeiter beschäftigt. Spielzeug war nur einer von vielen Produktionszweigen. Bing stellte u.a. optische Geräte, Grammophone, Filmprojektoren (Laterna magica), Badeöfen, Küchengeräte, Gartengeräte und kirchliche Kultgegenstände her.

Nach dem Ersten Weltkrieg befanden sich unter dem Dach der in Leipzig beheimateten Vertriebsfirma „Concentra” 23 verschiedene Produktionsfirmen. Mit dem „Schwarzen Freitag” an der Wall Street am 29.Oktober 1929 begann die Weltwirtschaftskrise. Das komplizierte Firmengefüge von Bing hat die Weltwirtschaftskrise nicht überstanden. Man saß auf zu großen Lagerbeständen, so dass es 1932 zum Zwangsvergleich kam. Bing musste Fertigungsmaschinen verkaufen und die Spielwarenproduktion aufgegeben.

Der größte Absatzmarkt für die Bing-Modellbahn war England und die USA. Deshalb wurden viele Modelle nach englischen oder amerikanischen Vorbildern gebaut. Für den deutschen Markt bekamen diese Modelle Puffer und deutschen Aufschriften, denn damals musste eine Modelleisenbahn hübsch aussehen und möglichst durabel sein. Auf Vorbildtreue kam es damals nicht so sehr an.

Bing H0-Bahn Uhrwerkslokomotive der GWR, in der Modelleisenbahnabteilung im Museum für Hamburgische Geschichte
Zur Zeit des Zusammenbruchs des Bing-Imperiums hatte in Deutschland gerade die "Reichsbahnzeit" begonnen. Wie andere Herstellern baute Bing damals die Reichsbahnfahrzeuge möglichst vorbildgetreu nach. Die Nürnberger Spielzeugfirmen Bub und Kraus übernahmen von Bing Maschinen, Werkzeug und bereits fertig geformte Teile der Firma Bing in Spur 0 und montierten sie zu Ende. Dadurch gelangten Fahrzeuge auf den Markt, die zwei Firmenzeichen trugen. 1938 wurde im Zuge der Judenverfolgung die Firma Kraus aufgelöst. Dadurch gingen Bingteile an die Nürnberger Spielzeugfirma Keim über. Keim verbaute und verkaufte diese Teile noch nach dem Zweiten Weltkrieg mit den alten Firmenzeichen und dem Zusatzaufdruck „Made in US-Zone” auf den Markt.
1:90 Handbuch des Trix-Eisenbahnbetriebs, 1937 1:90 Handbuch des Trix-Eisenbahnbetriebs, 1937
Fast schon Geschichte:
Das 1:90 Handbuch des Trix-Eisenbahnbetriebs von 1937.

Herr Brommann führte weiter aus, dass nicht Trix oder Märklin die H0-Spur 1935 auf der Leipziger Messe eingeführt hätten. Bereits 1923 brachte Bing, angeregt durch die englische Firma Bassett-Lowke, eine Tischbahn in der H0 Spur ― damals mit 00 bezeichneten Spur ― heraus, anfangs mit Uhrwerkloks, 1925 dann mit elektrischen Lokomotiven. Die H0-Modelle wurden von Bub bis 1937 weiter produziert. Die ehemals Bingschen Mitarbeiter waren anderweitig tätig geworden. Aus ihrer Zusammenarbeit mit einer anderen Nürnberger Firma entstand das Unternehmen Trix-Express mit seinem 1935 vorgestellten 00-Programm.

Bing war auf dem deutschen Modelleisenbahnmarkt ein Billighersteller. Er setzte eher billigen Modelle oft in Zugpackungen, durch Basare, Warenhäuser und Versandhäuser ab. Ein ganz anderes Bild boten die Bing-Erzeugnisse für den amerikanischen und englischen Markt. Diese waren vorbildgetreu und solide gebaut. Viele Spitzenmodelle hat Bing auch für andere englische Firmen gebaut, so für Bassett-Lowke. Durch diese befreundete Firma angeregt, schuf Bing wohl die schönsten Eisenbahnen überhaupt.

Bing, ein verkürzter H0-Personenwagen in der Modeleisenbahnabteilung im Museum für Hamburgische Geschichte
Bing, HO-Dampflok mit Elektroantrieb in der Modeleisenbahnabteilung im Museum für Hamburgische Geschichte
Modellbahngleise von Bing in der Modeleisenbahnabteilung im Museum für Hamburgische Geschichte Die Weichen sind von Hand zu stellen. Signale mit Zugbeeinflussung gab es noch nicht, auch wenn einige Weichen schon elektromagnetisch zu stellen waren.
Bing, Fahrpult in der Modeleisenbahnabteilung im Museum für Hamburgische Geschichte Die ersten elektrischen Modelleisenbahnen wurden ohne Vorschaltung eines Trafos an die Lichtleitung angeschlossen, denn damals gab es noch Gleichstromlichtnetze. Vergleiche dazu die Textstelle über Hornby Trains.
Bing, Katalog in einer Vitrine 1:90 Handbuch des Trix-Eisenbahnbetriebs Oben auf dem Katalog ist das ab 1926 verwendete Firmenzeichen von Bing zu erkennen.

Bing hat unterschiedliche Blechspielzeuge hergestellt. Einige Kindergrammophone sind hier zu finden.

Siehe auch unter Spielzeugmuseum Nürnberg.

2010 eröffnete im Landkreis Bad Dürkheim das Historische Spielzeugmuseum Freinsheim. Sein Schwerpunkt liegt auf Bing.

Letztes Upload: 09.07.2023 um 06:04:29 • Impressum und Datenschutzerklärung