Laut dem Artikel „Der U-Bahn-Fahrer hat ganz allein die Verantwortung” im Hamburger Abendblatt vom 1.3.1961 müsste es die Strecke die Strecke Volksdorf–Großhansdorf gewesen sein: […]zwischen Volksdorf und Groß-Hansdorf wird der Zugbegleiter, den es dort bisher noch gab, eingespart. Der Mann an der Sperre soll die Züge abfertigen, falls erforderlich mit Hilfe von Fernsehgeräten, die ihm den Blick auf den Bahnsteig gestatten.
Die Haltestellen des Zweiges Volksdorf–Großhansdorf wurden entsprechend ausgerüstet:[73, Seite 35f]
Es handelte sich um eine typische Rationalisierung. Ermöglicht wurde sie durch drei technische Hilfsmittel:
Vor der Umstellung hatte die Gewerkschaft ÖTV (Öffentliche Dienst, Transport und Verkehr) in einer Resolution[54, Seite 37] vergebens darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit eines Zugbegleiters […] nicht mit seinen Obliegenheiten auf der Haltestelle erschöpft
ist, sondern
er ist für die Sicherheit des Zuges auf der Strecke mit verantwortlich. Die Ausbildung des Zugbegleiters ist zur Hauptsache auch darauf ausgerichtet.
Für die Fahrgäste war der Zugbegleiter ein Ansprechpartner.
Die Zugbegleiter fuhren seit Beginn des U-Bahn-Betriebes an der Spitze des Zuges mit. Sie saßen auf einem Klappsitz in einer Nische links neben dem Fahrer, jedoch nicht in der Fahrerkabine, sondern im Fahrgastraum. Ihr Platz war so ausgestattet, dass sie ebenfalls nach vorne blicken konnten. Sie achteten darauf, dass der Fahrer keine Signale und Hindernisse auf der Strecke übersah. Im Falle grober Fahrfehler konnten sie durch Betätigen der Notbremse eingreifen.
Auch zur Tür hatten sie es nicht weit. Das war beabsichtigt, denn sie mussten an jeder Haltestelle aussteigen und gemeinsam mit dem Haltestellenwärter die Abfertigung des Zuges durchführen. Nachdem die Fahrgäste aus- und eingestiegen waren, schritt der Haltestellenwärter den hinteren Teil des Zuges ab. Der Zugbegleiter ging den vorderen Zugteil entlang. Dabei schlossen beide die noch offene Wagentüren. Nun war der Zug abfahrbereit: Der Haltestellenwärter gab mit seinem Befehlsstab („Kelle”) das Abfahrsignal. Der Zugbegleiter klopfte an die Scheibe des Führerstandes und rief „abfahren”! Dabei achtete er darauf, dass der Zug nicht ohne ihn abfuhr.
Selbstverständlich gab es Vorschriften, wie die Abfertigung des Zuges zu geschehen hat:
Enthaltene Abkürzungen:
Bt=Berliner Tor, De=Dehnhaide, Mu=Mundsburg,
Z = Zug, Zb=Zugbegleiter.
Hinweis: In der Vorlage g e s p e r r t gedruckte Satzteile sind durch Fettschrift hervorgehoben.
»Insbesondere ist es Aufgabe der Angestellten, die Wagentüren zu öffnen und zu schließen.
2. Die Wagentüren dürfen nicht zugeworfen werden, vielmehr muß der abfertigende Angestellte die Tür bis zum Einschnappen in der Hand behalten.
3. Sobald ein Zug am Bahnsteig zu erwarten ist, spätestens aber nach erfolgter Blockbedienung, hat sich der Bahnsteigbedienstete auf den Bahnsteig zu begeben. Wo der Zugang zum Bahnsteig in der Fahrtrichtung des Z vorn oder in der Mitte ist, wie z.B. auf Bt II oder auf Mu I, hat der Bahnsteigbedienstete sich zunächst an die letzte Wagentür zu begeben und auf dem Wege nach vorn die übrigen Türen zu bedienen. Ist der Zugang hinten, wie z.B. auf De II, so hat der Bahnsteigbedienstete in der Mitte des Zuges mit der Bedienung der Wagentüren zu beginnen und die Zustimmung zur Abfahrt von der letzten Wagentür zu geben.
4. Ist der Befehlsstab zur Abfertigung nicht zur Stelle, durch besondere Gründe schlecht sichtbar oder liegen sonstige zwingende Gründe vor, so hat die Zugabfertigung dadurch zu erfolgen, daß der rechte Arm senkrecht nach oben gehalten wird und daß, der Spitze des Zuges zugewendet, „Fertig” gerufen wird. Über die Anwendung dieser Art der Zugabfertigung ist mit Angabe des Grundes Meldung zu erstatten.
Die Zb haben sich stets, sobald ihr Zug hält, an die letzte von ihnen zu bedienende Tür zu begeben und auf dem Wege nach vorn die übrigen Türen zu schließen. Unter keinen Umständen darf ein Z abfahren, bevor alle Wagentüren bis auf die erste geschlossen sind.«
Die Übermittlung des Abfahrsignals vom Haltestellenwärter an den Fahrer erfolgte ab der Einsparung des Zugbegleiters durch ein Lichtsignal und zusätzlich durch einen Pfiff: Der Haltestellenwärter rief „Zurückbleiben!”, pfiff auf der Trillerpfeife und hängte seine Kelle über einen Draht. Dadurch leuchtet ein weißes Signallicht auf. Der Zug durfte losfahren.
Die ehemaligen Zugbegleiter wurden in andere Bereiche der HHA versetzt. Etwa 200 Zugbegleiter waren betroffen.
Mittlerweile hat die Rationalisierungswelle auch die Haltestellenwärter getroffen. Zugfahrerselbstabfertigung heißt das Zauberwort ― dabei bleiben am Ausfahrsignal das Türschließsignal und das Abfahrsignial unbenutzt.
![]() | HHA Signal Türen schließen! Gelbes T am Ausfahrsignal. |
![]() | Abfahrsignal Weißer Kranz am Ausfahrsignal. |
In der Zeitung „Die Welt” erschien am 2.11.1950 unter der Überschrift „Erster Tag ohne Zugbegleiter” eine Reportage über den ersten Betriebstag ohne Zugbegleiter. Demnach verlief der Umstellungstag – es war ein Mittwoch – mit leichten Reibungen. Erwähnt werden in dem Artikel
seligen Schwarzmarktzeit,
drei Meter hinter seinem Platz im Wagen die Notbremse ziehen können.
Ab Sommer 1994 konnten die Zugbegleiter erneut eingespart werden. Nun liefen auf der Linie U1 Fahrzeuge des Typs DT4. Bei diesen Fahrzeugen hat die Fahrerkabine eigene Türen nach außen. Dadurch war es möglich, den Fahrer an den Haltestellen aussteigen zu lassen. Er stand neben seiner Tür auf dem Bahnsteig, beobachtete den Fahrgastwechsel und fertigte seinen Zug selbst ab.
Bereits vorher, ab dem 27.11.1989, begann auf der Teilstrecke Gänsemarkt–Niendorf-Nord die Zugfahrerselbstabfertigung mit Bildschirm in der Fahrerkabine. Dieser Bildschirm zeigt das Geschehen auf dem Bahnsteig.[5, Seite 146f] Die Kameras sind an Masten, dem Bahnsteigdach oder unter der Bahnsteigdecke abgebracht.
Das Abfertigen der Züge durch die Zugfahrer hatte zum Ziel, die Haltestellenaufseher vor Ort einzusparen. Diese Umstellung war 2002 fast vollständig abgeschlossen.[6, Seite 93]