Die Hamburger Hochbahn (U-Bahn):
Zugbegleiter

Ab Ende 1950 wurde bei der U-Bahn in Hamburg gewaltig rationalisiert. Die Stelle des Zugbegleiters wurde mit dem 1.11.1950 abgeschafft. Lediglich auf dem Streckenabschnitt Volksdorf–Großhansdorf blieben die Zugbegleiter bis 1961 erhalten.
In einer anderen Quelle steht abweichend, dass 1950 die Zugbegleiter nur auf der Linie Schlump–Hellkamp erhalten blieben.[54, Seite 36] Vermutlich ist diese Aussage nicht korrekt.

Laut dem Artikel „Der U-Bahn-Fahrer hat ganz allein die Verantwortung” im Hamburger Abendblatt vom 1.3.1961 müsste es die Strecke die Strecke Volksdorf–Großhansdorf gewesen sein: […]zwischen Volksdorf und Groß-Hansdorf wird der Zugbegleiter, den es dort bisher noch gab, eingespart. Der Mann an der Sperre soll die Züge abfertigen, falls erforderlich mit Hilfe von Fernsehgeräten, die ihm den Blick auf den Bahnsteig gestatten.

Die Haltestellen des Zweiges Volksdorf–Großhansdorf wurden entsprechend ausgerüstet:[73, Seite 35f]

  • 13.12.1966 Volksdorf: Zugabfertigung im Fahrkartenverkaufsschalter möglich
  • 2.10.1962 Buchenkamp, Ahrensburg, Hopfenbach: Zugabfertigung im Fahrkartenverkaufsschalter
  • 2.10.1962 Kiekut: Zugabfertigung im Fahrkartenverkaufsschalter möglich
  • 29.5.1983: Schmalenbeck und Großhansdorf: Zugabfertigung durch Streckenzentrale Volksdorf
  • 31.1.1997: alle obige Haltestellen: Zugfahrerselbstabfertigung

Es handelte sich um eine typische Rationalisierung. Ermöglicht wurde sie durch drei technische Hilfsmittel:

  1. Eine pneumatische Türschließeinrichtung. Sie wurde allerdings erst nach der Abschaffung der Zugbegleiter ab 1951 in alle U-Bahn-Wagen eingebaut und am 3.5.1953 in Betrieb genommen. Es zeigte sich dann, dass die bis dahin verwendeten Holztüren den durch die neue Türschließeinrichtung hervorgerufenen Belastungen auf Dauer nicht gewachsen waren. Deshalb wurden die Holztüren bei den fälligen Hauptuntersuchungen durch Leichtmetalltüren ersetzt.
  2. Eine Sicherheitsfahrschaltung (Totmann-Einrichtung) zur Überwachung der Fahrer.
  3. Vom Haltestellenwärter zu schaltendes optisches Abfertigungssignal.

Vor der Umstellung hatte die Gewerkschaft ÖTV (Öffentliche Dienst, Transport und Verkehr) in einer Resolution[54, Seite 37] vergebens darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit eines Zugbegleiters […] nicht mit seinen Obliegenheiten auf der Haltestelle erschöpft ist, sondern er ist für die Sicherheit des Zuges auf der Strecke mit verantwortlich. Die Ausbildung des Zugbegleiters ist zur Hauptsache auch darauf ausgerichtet.

Für die Fahrgäste war der Zugbegleiter ein Ansprechpartner.

Die Zugbegleiter fuhren seit Beginn des U-Bahn-Betriebes an der Spitze des Zuges mit. Sie saßen auf einem Klappsitz in einer Nische links neben dem Fahrer, jedoch nicht in der Fahrerkabine, sondern im Fahrgastraum. Ihr Platz war so ausgestattet, dass sie ebenfalls nach vorne blicken konnten. Sie achteten darauf, dass der Fahrer keine Signale und Hindernisse auf der Strecke übersah. Im Falle grober Fahrfehler konnten sie durch Betätigen der Notbremse eingreifen.

Auch zur Tür hatten sie es nicht weit. Das war beabsichtigt, denn sie mussten an jeder Haltestelle aussteigen und gemeinsam mit dem Haltestellenwärter die Abfertigung des Zuges durchführen. Nachdem die Fahrgäste aus- und eingestiegen waren, schritt der Haltestellenwärter den hinteren Teil des Zuges ab. Der Zugbegleiter ging den vorderen Zugteil entlang. Dabei schlossen beide die noch offene Wagentüren. Nun war der Zug abfahrbereit: Der Haltestellenwärter gab mit seinem Befehlsstab („Kelle”) das Abfahrsignal. Der Zugbegleiter klopfte an die Scheibe des Führerstandes und rief „abfahren”! Dabei achtete er darauf, dass der Zug nicht ohne ihn abfuhr.

Selbstverständlich gab es Vorschriften, wie die Abfertigung des Zuges zu geschehen hat:

Das Schließen der Wagentüren bei der Hamburger U-Bahn
Aus einem historischen Dokument der HHA in Frakturschrift mit der Seitenangabe 32. Mehr ist mir zu seinem Ursprung nicht bekannt. Ich habe es am 28.2.2022 als offensichtlich gescannte JPG-Datei im temporären Verzeichnis eines meiner PCs mit Download-Datum 14.10.2017 gefunden.

Enthaltene Abkürzungen:
Bt=Berliner Tor, De=Dehnhaide, Mu=Mundsburg,
Z = Zug, Zb=Zugbegleiter.

Hinweis: In der Vorlage  g e s p e r r t  gedruckte Satzteile sind durch Fettschrift hervorgehoben.

»Insbesondere ist es Aufgabe der Angestellten, die Wagentüren zu öffnen und zu schließen.

2. Die Wagentüren dürfen nicht zugeworfen werden, vielmehr muß der abfertigende Angestellte die Tür bis zum Einschnappen in der Hand behalten.

3. Sobald ein Zug am Bahnsteig zu erwarten ist, spätestens aber nach erfolgter Blockbedienung, hat sich der Bahnsteigbedienstete auf den Bahnsteig zu begeben. Wo der Zugang zum Bahnsteig in der Fahrtrichtung des Z vorn oder in der Mitte ist, wie z.B. auf Bt II oder auf Mu I, hat der Bahnsteigbedienstete sich zunächst an die letzte Wagentür zu begeben und auf dem Wege nach vorn die übrigen Türen zu bedienen. Ist der Zugang hinten, wie z.B. auf De II, so hat der Bahnsteigbedienstete in der Mitte des Zuges mit der Bedienung der Wagentüren zu beginnen und die Zustimmung zur Abfahrt von der letzten Wagentür zu geben.

4. Ist der Befehlsstab zur Abfertigung nicht zur Stelle, durch besondere Gründe schlecht sichtbar oder liegen sonstige zwingende Gründe vor, so hat die Zugabfertigung dadurch zu erfolgen, daß der rechte Arm senkrecht nach oben gehalten wird und daß, der Spitze des Zuges zugewendet, „Fertig” gerufen wird. Über die Anwendung dieser Art der Zugabfertigung ist mit Angabe des Grundes Meldung zu erstatten.

Die Zb haben sich stets, sobald ihr Zug hält, an die letzte von ihnen zu bedienende Tür zu begeben und auf dem Wege nach vorn die übrigen Türen zu schließen. Unter keinen Umständen darf ein Z abfahren, bevor alle Wagentüren bis auf die erste geschlossen sind.«

Die Übermittlung des Abfahrsignals vom Haltestellenwärter an den Fahrer erfolgte ab der Einsparung des Zugbegleiters durch ein Lichtsignal und zusätzlich durch einen Pfiff: Der Haltestellenwärter rief „Zurückbleiben!”, pfiff auf der Trillerpfeife und hängte seine Kelle über einen Draht. Dadurch leuchtet ein weißes Signallicht auf. Der Zug durfte losfahren.

Die ehemaligen Zugbegleiter wurden in andere Bereiche der HHA versetzt. Etwa 200 Zugbegleiter waren betroffen.

Mittlerweile hat die Rationalisierungswelle auch die Haltestellenwärter getroffen. Zugfahrerselbstabfertigung heißt das Zauberwort ― dabei bleiben am Ausfahrsignal das Türschließsignal und das Abfahrsignial unbenutzt.

HHA Signal Türen schließen! HHA Signal Türen schließen!
Gelbes T
am Ausfahrsignal.
HHA Signal Abfahren! Abfahrsignal
Weißer Kranz
am Ausfahrsignal.
Zunächst wurde der Auftrag zum Schließen der Türen und zur Abfahrt durch das Aufleuchten eines weißen Kreuzes am Ausfahrsignal übermittelt. In den 1960ern wurde das weiße Kreuz durch die beiden oberhalb dargestellten Signalbilder ersetzt.[5, Seite 142]

In der Zeitung „Die Welt” erschien am 2.11.1950 unter der Überschrift „Erster Tag ohne Zugbegleiter” eine Reportage über den ersten Betriebstag ohne Zugbegleiter. Demnach verlief der Umstellungstag – es war ein Mittwoch – mit leichten Reibungen. Erwähnt werden in dem Artikel

Im Mai 1954 und erneut im September 1954 kam es zu Auffahrunfällen bei der Hamburger U-Bahn. Nach dem Unfall im September stellte die Tageszeitung „Hamburger Abendblatt” in ihrer Ausgabe vom 9.September 1954 die Frage, ob dieser Unfall durch Anwesenheit eines Zugbegleiters hätte verhindert werden können. Der Artikel beantwortet die Frage gleich selbst. Demnach sei es dem Zugbegleiter nicht möglich gewesen, bei Erkennen einer Gefahr den Zug sofort zum Stehen zu bringen. Er hätte lediglich drei Meter hinter seinem Platz im Wagen die Notbremse ziehen können.
Die Zugbegleiternische neben dem Führerstand war bei den alten U-Bahn-Wagen der Platz mit der besten Aussicht! Das wussten die Fahrgäste im Museumszug der Hamburger Hochbahn am 29.Juni 2002 zu schätzen!

Die weitere Rationalisierung bei der Zugabfertigung
Um in der verkehrsschwachen Zeit Haltestellenpersonal einzusparen, wurde ab dem 4.4.1988 auf der Linie U1 erneut von Zugbegleitern abgefertigt. Die seinerzeit auf der U1 eingesetzten Zuggarnituren DT3 erhielten dazu Schlüsselschalter für die den Fahrerkabinen nächstgelegenen Fahrzeugtüren. Mit den Schlüsselschaltern war es dem Zugbegleiter möglich, die Türschließung der von ihm benutzten Tür außer Kraft zu setzen. Dadurch konnte er auf dem Bahnsteig stehend den Zug überblicken und den Befehl zum Schließen der Türen geben. Dann betrat er durch seine noch geöffnete Tür den Zug und erteilte das Signal zur Abfahrt.

Ab Sommer 1994 konnten die Zugbegleiter erneut eingespart werden. Nun liefen auf der Linie U1 Fahrzeuge des Typs DT4. Bei diesen Fahrzeugen hat die Fahrerkabine eigene Türen nach außen. Dadurch war es möglich, den Fahrer an den Haltestellen aussteigen zu lassen. Er stand neben seiner Tür auf dem Bahnsteig, beobachtete den Fahrgastwechsel und fertigte seinen Zug selbst ab.

Bereits vorher, ab dem 27.11.1989, begann auf der Teilstrecke Gänsemarkt–Niendorf-Nord die Zugfahrerselbstabfertigung mit Bildschirm in der Fahrerkabine. Dieser Bildschirm zeigt das Geschehen auf dem Bahnsteig.[5, Seite 146f] Die Kameras sind an Masten, dem Bahnsteigdach oder unter der Bahnsteigdecke abgebracht.

Das Abfertigen der Züge durch die Zugfahrer hatte zum Ziel, die Haltestellenaufseher vor Ort einzusparen. Diese Umstellung war 2002 fast vollständig abgeschlossen.[6, Seite 93]

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