Dem Text des Artikels merkt man an, dass Dr. Obst Philologe war. Dem damaligen Stil entsprechend enthält der Text lange und verschachtelte Sätze in wirklich langen Absätzen. Dem noch heute üblichen Zeitungsschreibstil entsprechend wird nicht immer zwischen Zukunft und Gegenwart unterschieden.
Der Artikel beschreibt die durch die Ringlinie der Hochbahn und die durch den Durchbruch der Mönckebergstraße seinerzeit entstehenden Veränderungen des Stadtbildes unter Bezugnahme auf die jeweilige Vorgeschichte. Er folgt dabei der Ringlinie ab der Haltestelle Rödingsmarkt gegen den Uhrzeigersinn. Außerdem hat Dr. Obst einige ironische und kritische Bemerkungen abseits des Themas in seinen Artikel eingefügt.
Die im Artikel verwendete zeitgemäße Rechtschreibung wurde mit Ausnahme von Ü anstelle von UE beibehalten. Jedoch sind zur Erleichterung der Lesbarkeit am Bildschirm zusätzliche Absätze eingefügt. Die im Original des Artikels enthaltenen Absätze sind durch Einfügen eines dicken Punktes • in Zeilenmitte besonders hervorgehoben.
Die im Text angegebene bezifferten Links führen zu Fußnoten. Bei jeder Fußnote ist ein unmittelbarer Rücklink zur Textstelle vorhanden.
Hilfreich zum Verständnis des Artikels ist die →Innenstadtkarte von 1908 und die Karte →Hamburg und äußere Vororte von 1908. Beide Karten zeigen den Verlauf der 1908 vorgesehenen bzw. sich im Bau befindlichen Hochbahnstrecken.
Einige der im Artikel namentlich genannten bzw. angedeuteten Haltestellennamen weichen von den bei der Eröffnung der Ringlinie genutzten Namen wesentlich ab:
Gerade an der Stelle, wo augenblicklich die eifrigsten Arbeiten getrieben werden, wo mächtige Dampframmen gewaltige Eichenpfähle in die Tiefe getrieben haben, sind so unglaublich viel Umwandlungen vollzogen worden, daß es wohl richtig ist, wenn wir den Spuren der entstehenden Bahn nachgehen wollen, von hier, wo dereinst in fernen Zeiten Hamburgs Wiege stand, auch den Ausgangspunkt für unsere Wanderung zu nehmen.
Man nimmt bekanntlich an, daß die alte Hammaburg ungefähr an der Stelle gelegen hat, wo jetzt unser prächtiges Rathaus steht, sie ist aber so oft zerstört worden, daß man ihren Platz mit Sicherheit nicht mehr feststellen kann; jedenfalls aber berührt die Trace der Stadt- und Vorortsbahn sehr dicht die älteste Gegend unserer Stadt, wenn sie, vom Mönkedamm kommend, bei Adolphsplatz unter die Erde taucht und nun in dieser Richtung, nach der Johannisstraße weiter fortfährt.
Am Adolphsplatz, ungefähr da, wo jetzt an der Börse der Kaufmann sein geschäftiges Wesen treibt, wandelten dereinst stille Mönche einher, die von Adolf IV. nach dem Orden des heiligen Franziskus im Marien-Magdalenenkloster angesiedelt waren und hier die Schätze zusammentrugen, die sie auf ihren Bittgängen von mildtätiger Hand bekommen hatten[2] . Wenn sie frei waren von Messe und Andacht, dann lustwandelten sie wohl auf dem Deich, der nach dem Millernthor hinführte und nach ihnen im Volksmunde den Namen Mönkedamm erhielt. Sie mögen das nicht ungern getan haben, denn am Ende des wahrscheinlich einst mit gründen Bäumen bewachsenen Walles befand sich damals ein Pförtlein mit dem Namen „Sliekut”, zu hochdeutsch „Schleichaus”, aus dem die Mönchlein, wenn sie gerade einmal dürstete(n) und der Prior sein Schlummerstündchen hielt, hinausschlichen, um am Rödingmarkte sich gütlich zu tun an dem damals in aller Welt als vorzüglich gerühmten roten Hamburger Bier. War ihnen auch gar nicht zu verdenken, denn das Hamburger Wasser hat erst in neuerer Zeit einen erträglichen Ruf bekommen.
Dort also, an jenem einstigen frommer Betrachtung gewidmeten Wandelgang entlang, wird die Stadt- und Vorortsbahn allmählich auf schiefer Ebene den Tiefen des Erdbodens zustreben, um im Dunkel auf lange Zeit zu verschwinden. Und das Erste, worauf man stieß bei den Erdarbeiten, waren die Gebeine der hier auf dem Magdalenen-Friedhof Beigesetzten; 500 Schädel wurden dem Calcinierwerk in Ohlsdorf übergeben. Manches Mönchleins Kopf mag dabei gewesen sein.
Die Häuser an der Großen Johannisstraße müssen dem Tunnelbau weichen. Dadurch wird die Börse an dieser Seite freigelegt. Sie ist bekanntlich in den Jahren 1838 bis 1841 gebaut und am 2. Dezember des letztgenannten Jahres eingeweiht; bei dem großen Brande wurde sie durch den Opfermut einiger Bürger vor dem Untergang gerettet. Durch die Freilegung wird der schöne Bau erst recht zur Geltung kommen.
Die Johannisstraße, die dadurch an dieser Stelle ein verändertes Aussehen erhält, hat ihren Namen erst in neuerer Zeit zur Erinnerung an das früher der Knochenhauerstraße gegenüber, also etwa in der Gegend des Kaiser-Wilhelm-Denkmals, belegene St. Johanniskloster erhalten. wann dieses dereinst mit Dominikanern bevölkerte Kloster begründet worden ist, weiß man nicht genau, man ist aber der Meinung, daß auch diese Niederlassung Adolf IV., dem Klostergründer zuzuschreiben ist. Die Dominikaner scheinen sich mit den Franziskanern nicht besonders gestanden zu haben, das zeigte sich besonders im Zeitalter der Reformation, in dem die Dominikaner streng zur alten Lehre hielten und von ihrem Kloster aus alle Intrigen gegen die Lutheraner gesponnen wurden, während die Franziskaner leicht den Neuerungen geneigt waren.[3]
In früheren Zeiten hieß die Johannisstraße „Lange Brückenstraße” weil, wie Wichmann sagt, der untere Teil eine lange Brücke war, die über das sumpfige Terrain aus der Stadt zur Mühle an der Mühlenbrücke führte. Ihr ist 1842 der schönste Schmuck geraubt worden, denn damals brannte das 1772 neu erbaute Krameramtshaus mit ab, in dem sich früher die Hamburger Gesellschaft zu Bällen, Hochzeiten und Festlichkeiten zu versammeln pflegte, wie jetzt im Sagebielschen Etablissement oder in der „Erholung”.
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Dicht an den Fundamenten des Rathauses entlang nimmt die Bahn ihren Lauf, an der Ecke des Rathausmarktes wird eine Haltestelle angelegt, dann führt der Weg quer über den schönen Platz – natürlich immer unterirdisch – nach dem Untergrund der neuen Durchbruchstraße. Der Bau der Bahn, der sich hier an der zukünftigen Mönckebergstraße mit den hohen Zwecken der Sanierung verbindet, wird in diesen Stadtteilen, den ältesten der Metropole, im Petri- und Jacobikirchspiel, die gewaltigsten Veränderungen auf ihrem ganzen Lauf hervorrufen. Das ehemalige Johanniskloster führte mit seinen Gärten bis zum Alsterufer hinunter, an ihm entlang führte damals die Knochenhauerstraße, an deren Ende die Schlachter ein Küterhaus besaßen. Als nach dem Brande die Gegend hier gänzlich verändert wurde lief sie nur bis zur neu angelegten Hermannstraße, die aus den Straßen „Hinter dem breiten Giebel” und Zuchthausstraße entstanden war. Ihr Name deutet nicht einmal auf einen einzelnen Mann hin, sondern sie wurde nach Buek, „Hamburgische Altertümer” so benannt „zum Andenken an die von allen Deutschen geleistete Hülfe zur Bewältigung und Ersetzung des Stadtbrandes von 1842”.[4]
Im Grunde der neuen Mönckebergstraße geht dann die unterirdische Stadtbahn weiter bis zur Bergstraße, dicht an den Fundamenten dieser Kirche, der ältesten Marktkirche unserer Stadt, entlang bis zur Paulstraße. Wir befinden uns hier auf dem ältesten Boden Hamburgs, denn zweifellos war auf diesem Berge einst der älteste Markt der werdenden Stadt, vielleicht schon – trotz aller Weisheit neuerer Forscher – vor Gründung der Marienkirche ein Umschlagsplatz für die nordelbische Slavenbevölkerung und die jenseits wohnenden Sachsen. Die Paulstraße[5] , die die Bahn unterirdisch durchschneidet, ist verhältnismäßig jungen Datums, denn sie wurde erst 1808 nach Abbruch des Domes angelegt und erhielt ihren Namen nach dem Kämmereibürger Paul Amsinck, der sich hervorragende Verdienste bei dem Abbruch des Mariendomes und der Zerstreuung seiner Kunstschätze in alle Welt, aus der wir sie für teures Geld wieder zurückkaufen müssen, erworben hatte.
Nach der Durchquerung der Paulstraße verläßt die Bahn das Petrikirchspiel, um in der zweitältesten Parochie [6] Hamburgs an der so notwendigen Sanierung mitzuhelfen. Der Pferdemarkt,[7] in dessen Untergrund nun bald die Bahn entlanglaufen wird, war dereinst der Platz ritterlicher Spiele der Hamburger Patriziersöhne mit den benachbarten Adligen, und sogar Könige scheuten sich nicht, hier auf dem Horsemarkt wie auf dem Hopfenmarkt mit ihren Rittern zu buhudieren.[8] Der Markt wird schon 1266 erwähnt, er brannte 1842 zum größeren Teil ab und zeigt daher zumeist neuere Häuser, zu denen in jüngster Zeit noch einige ganz moderne hinzugekommen sind.
Leider wird die Jacobikirche, deren Grundmauern von der Bahn nur in weiter Entfernung gestreift werden, nicht auch von der Pferdemarktseite freigelegt werden, wie das seinerzeit durch den Abbruch der Lübschen Buden von der Steinstraßenseite aus geschehen ist.[9] In dem Plan des verstorbenen Architekten Heubel war das vorgesehen; nach den Beschlüssen von Senat und Bürgerschaft wird vielmehr die schon 1268 erwähnte Jacobitwiete, dieser alte Kirchenweg unserer Vorfahren, aufgehoben werden, während die Jacobikirchentwiete, wenn auch in etwas veränderter Gestalt bestehen bleibt. Sie wird eine große breite Straße werden, an der sich eine Haltestelle unserer Bahn befinden soll. Sie wird an der Stelle der jetzt wegen ihrer Kaschemmen und sonstiger schönen Gegenden so verrufenen Straßen des Großen und Kleinen Barkhofes zu liegen kommen und, wenn auch in anderem Sinne und zu anderem Zwecke, wieder jene schönen Zeiten heraufführen, deren sich diese Gegenden vor langer Zeit erfreuten. Denn nicht immer sah es in diesem Viertel so trüb und traurig aus; der schon 1263 erwähnte Barkhof war nämlich einst ein schöner Obstgarten, der wahrscheinlich einer Familie von Berghen gehörte, die der Gegend später auch den Namen verlieh.
Von dieser Haltestelle an dringt die Bahn in den Untergrund des Gewirres von schmalen und dunklen Höfen, die dieser Gegend eigen sind, bis zur ehemaligen Stadtmauer, an die Erinnerung in den Namen „Lange und Kurze Mühren” erhalten wird. Der Tunnel der Stadtbahn tritt an der Stelle in das Gebiet des Schweinemarktes über, der dem Steinthorwall gerade gegenüberliegt, so daß also von der Fortführung der Bahn das Naturhistorische Museum und der nördlich davon belegene Häuserblock nicht berührt wird. Der Schweinemarkt lag früher, durch die „Mühren” getrennt, außerhalb der Stadt und wurde erst 1584 in den Stadtbezirk hineingezogen. Bebaut wurde die eine Seite des schmalen Platzes, auf dem sich noch bis in die Mitte der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts Teile des Hamburger Schweinehandels abspielten, erst in den Jahren 1726 – 1731; eine Mauer, die ihn vom Walle trennte, wurde erst 1809 bei der Niederlegung der Befestigung beseitigt.
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Damit haben wir die Stadtbahn aus dem Herzen der Stadt hinaus bis in die Gegend des Hauptbahnhofes begleitet. Nach dem Programm für die Stadt- und Vorortsbahn wird es die Aufgabe der Arbeiten in den Jahren 1907 und 1908 sein, die in dem bisher beschriebenen Weg erforderlichen Arbeiten auszuführen, denn danach soll am 1. April 1907 die Rammung im Mönkedammfleth für den Tunnelmund und den anschließenden Viadukt beginnen; wie es indessen scheint, hat man infolge der Wiederbebauung des Grundstücks Adolphsplatz 5 mit diesen Arbeiten bereits etwas früher begonnen, was im Interesse des Ganzen ja nur wünschenswert ist.
Im Oktober des laufenden Jahres soll dann nach demselben Bauprogramm mit dem Abbruch der Häuser im Straßendurchbruch von Schweinemarkt bis zum Pferdemarkt begonnen werden, gleichzeitig gedenkt man aber auch den Börsenanbau und die Häuser an der Großen Johannisstraße niederzulegen. Am 1. Januar 1908 soll dann der Tunnel am Mönkedamm und unter dem Adolphsplatz in Angriff genommen werden, gleichzeitig sollen die neuen Fundamente für den Börsenanbau fertiggestellt werden. Am 1. April 1908 will man mit dem Abbruch der Häuser an dem unteren Teil der Durchbruchstraße beginnen, während schon vom 1. März ab die Tunnelstrecke Schweinemarkt – Pferdemarkt in Bau genommen wird, die nach dem Vertrage am 1. September 1908 fertiggestellt sein muß. Danach darf man annehmen, daß Ende 1908 die meisten Bauten auf der bisher beschriebenen Strecke fertig sein werden.
Wenn man von der Haupthalle des neuen Hauptbahnhofes auf den Stadt- und Vorortsbahnsteig hinunter- und ihn bis zum östlichen Ende hinabgeht, so sieht man dort am äußersten Ende unter der nach oben führenden Treppe eine weitere Treppenanlage, die ins Innerste der Erde hinabzuführen scheint.[10] Dieser Gang führt hinab in den Tunnel der von Hamburg zu erbauenden Stadt- und Vorortsbahn, der bereits vollkommen fertiggestellt ist. Fast genau an der Stelle, wo sich dereinst das Steinthor befand, nach dem der dort vorüberführende Damm seinen Namen führt, wird in weniger Jahre Frist die Bahn durch das Innere der Erde sausen. Noch ist es nicht ganz ein Jahrhundert her, da hat man Hamburg entfestigt und an der Stelle, wo Wälle und Gräben waren, hübsche Promenaden angelegt, – jetzt wirft man die kleinen Weiher wieder zu, entfernt die stillen Begräbnishaine, die Sieveking sich dort 1791 gewünscht und deren Anlage der Kirchenjurat zu St. Jacobi, Heinrich Kühl, 1793 durchgesetzt hatte, und wühlt sich in die Erde hinein, um hier die Anlagen unterzubringen, für die oben auf der weiten Erde kein Raum mehr ist.
„Könnten,” schreibt Pastor J. H. Höck in seinem sehr lesenswerten Aufsatz „Das Gelände des neuen Hauptbahnhofes, ein geschichtlicher Rückblick”, „die alten Geschlechter, die hier einst gewallt und gebetet, sich ergötzt und ihre Ruhestätte hier gefunden, aufwachen, was würden sie für Augen machen.” Freilich, Prozessionen wie dereinst am Frohnleichnam und frohe Feste auf der St. Georgsweide, wenn St. Jürgenskirchweihtag ist, wird die Gegend nicht mehr sehen, und von einem heiligen Land, wie der fromme Verfasser die Gegend wegen der vielen kirchlichen Erinnerungen nennt, wird bald nichts mehr zu spüren sein. Dafür wird aber durch die dort Vorbeireisenden das Evangelium der Arbeit um so eifriger gebetet werden.
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Die Haltestelle der Stadt- und Vorortsbahn wird außerhalb des Terrains des Hauptbahnhofes liegen, etwa dort, wo vor Jahren ehe er nach der Bürgerweide verbannt wurde, der Lämmermarkt stattzufinden pflegte und noch wirklich ein St. Georger Bezirksfest war. Über die Stelle, wo jetzt die Haltestelle hinkommt, flutete der Verkehr hinüber nach der Kirchenallee, wo auch noch Buden standen, wenn der Platz der Lämmerweide nicht ausgereicht hatte. Dann geht die Bahn durch die Große Allee[11] Hier zweigt beim Kreuzweg die später zu erbauende Hammerbrooklinie ab.
Wir verfolgen zunächst die Hauptlinie, die bis zum Strohhaus noch unterirdisch geführt wird. Die Große Allee, früher im Volksmund in die Dicke und die Dünne Allee nach dem Umfang ihrer Bäume eingeteilt, ist eine der ältesten Straßen des Stadtteils St. Georg. Als nämlich infolge der Befestigungen die „Schweinekövener”[12] strenger von der Stadt abgeschlossen und die Dreifaltigkeitskirche zur Pfarrkirche erhoben wurde, glaubten die Hamburger auch ein übriges für die Gegend vor dem Steinthor tun zu müssen. Es wurde deshalb auf Anregung des Baubürgers Hieronymus Petersen der zwischen Gärten und dem Gasthaus beim Besenbinderhof vom Steinthor nach dem Strohhause hinführende Weg 1632 mit schönen Ulmen bepflanzt. Er sollte den Hamburgern, die sich vor dem Tore an schönen Feiertagen ergehen wollten, als Promenade dienen. Im Beginn des 18. Jahrhunderts verwandelte man die Allee sogar in eine sogenannte Tour à la mode, das heißt in eine Wagenpromenade, die an beiden Seiten durch Schlagbäume abgeschlossen wurde. Beim Passieren dieser Bäume mußten die Spazierenfahrenden in der Zeit vom 1. April bis zum 31. Oktober vier Schillinge bezahlen, wofür man dann nach Herzenslust seine Fahr- oder Reitkünste zeigen konnte.
Die Große Allee blieb lange Jahre ein beliebter Promenadenweg der Hamburger, luden an ihrem Eingang doch die beiden Trichter auch zur Erquickung und zum Ausruhen ein. Das 1803 an der Ecke Kreuzweg und Große Allee gegründete Theater, das zeitweise auch als Tanzsalon benutzt wurde, wird älteren Hamburgern noch in Erinnerung sein.
Zwischen dem Pulverteich und der Böckmannstraße lag früher auch der Kirchhof der Reformierten, der 1827 nach der Carolinenstraße vor dem Dammthor verlegt wurde. Es konnte daher diese Strecke der Allee erst bebaut werden, als die Ruhejahre des Friedhofes vorüber waren. Der Kirchhof ist längst verschwunden, das Theater hat einem moderneren Etagenbau Platz gemacht, und nun wird auch wohl die älteste noch vorhandene Erinnerung an St. Georgs Vergangenheit, die 1819 erbaute Nachtwächterwache, verschwinden, denn wie der Plan der Stadt- und Vorortsbahn aufweist, geht die Trace gerade unter ihr durch und durchschneidet den letzten Teil des ehemaligen Borgesch[13] , der noch lange Jahre als Kuhweide gedient hat. Manche frohe Stunde haben hier die St. Georger und Hammerbrooker Kinder verlebt, wenn sie beim Genuß der kuhwarmen Milch ihr abendliches Franzbrot verzehren konnten und von der Höhe dort über den noch nicht mit hohen Mietskasernen bebauten Besenbinderhof hinabsehen konnten auf den tiefliegenden Hammerbrook mit seinen Kanälen und Eisenbahnanlagen.
Die Spur der Bahn führt uns in gerader Linie weiter nach dem Strohhause. Auch diese Straße, deren Gegend wohl einst schon zur Feldmark des Dorfes Hamm gehörte, ist früher, wie der größte Teil der Terrains der ehemaligen Borgesch, über den die Große Allee nach Osten führte, Gartenland und im Besitz wohlhabender Hamburger gewesen, die allsonnabendlich ihre Reise nach dem „Gütle” anzutreten pflegten und Montag in der Frühe zu neuer Arbeit in die Stadt zurückkehrten, während die werte Familie noch einige Zeit die Vorzüge des Landlebens genoß. Über die Lage des „Strohhauses”, das der ganzen Gegend seinen Namen gegeben hat, ist in letzter Zeit unter den Hamburgischen Topographen lebhafte Meinungsverschiedenheit entstanden, an denen sich die Herren Dr. Heyden, Rudolf Schnittger, Dr. Hans Nirrnheim[14] und der kürzlich verstorbene Baudirektor H.W.C. Hübbe[15] beteiligten. Nach dem Ergebnis dieser sorgfältigen Untersuchungen lag das ehemalige Strohhaus, das 1605 zuerst erwähnt wird, auf dem an der Ecke des heutigen Lindenplatzes und dem an der Straße bei dem Strohhause belegenen Grundstück. Es wird seinen Namen daher erhalten haben, daß es tatsächlich aus Stroh hergestellt war und nicht, wie man wohl früher anzunehmen geneigt war, weil es mit Stroh gedeckt war oder als Strohmagazin für die hamburgischen Dragoner diente.[16] Daß solche aus Stroh gebaute Häuser vorkamen und in unserer Gegend auch besonders erwähnt zu werden pflegten hat Nirrnheim in den Mitteilungen des Vereins für Hamburgischen Geschichte zur Genüge dargetan. Daß nun dieses Strohhaus, dessen Beiname auch in den Grundbüchern besonders erwähnt wird, ein bestimmtes Haus war, das allen bekannt war, lag daran, daß in ihm der Schlagbaum-Einnehmer wohnte. An seinem Hause vorüber führte der große Heerweg, der von Hamburg nach dem Osten führte; hier machten die von Mecklenburg und Lauenburg kommenden Fuhrleute, die später in den Gasthäusern der Steinstraße Einkehr hielten, Halt. Daher wird der Besitzer des Strohhauses auch von altersher eine Wirtschaft gehabt haben, in der gelegentlich auch Stadtbürger und Schweinekövener einkehrten. So war das Strohhaus ein allen Hamburgern wohlbekanntes Haus. „Auch,” so meint Nirrnheim, „als das Strohhaus nicht mehr das Haus aus Stroh war; sondern einem massiven Bau Platz gemacht hatte – wann das geschehen ist, ob vor oder nach der 1605 gemachten Eintragung in das Hypothekenbuch, läßt sich nicht mehr ausmachen – blieb doch der Name des Wirtshauses erhalten. Es hat ihn sicher noch im 18. Jahrhundert geführt. Wann dann das Haus als Wirtshaus den Namen Strohhaus abgelegt hat, – in den Hypothekenbüchern hat es ihn bis in die neueste Zeit behalten – wann es „Zur Hopfenkarre” benannt worden ist, muß vorläufig dahingestellt bleiben.” Wir wollen auch nicht weiter darüber nachgrübeln, sondern nur noch konstatieren, daß die Straße Beim Strohhause seit 1791 bebaut wurde und die Straße Hinter dem Strohhause wegen der dort 1802 erbauten Arenschen Armenwohnungen früher im Volksmund „Klein Jerusalem” hieß, und uns dann wieder der Spur der Stadt- und Vorortsbahn zuwenden, die bei der Haltestelle Berliner Thor wieder eine Zeitlang ans Tageslicht und in einem offenen Einschnitt bis jenseits der Wallstraße fährt.
Der Name Berliner Thor ist noch verhältnismäßig neu. Im 17. Jahrhundert, als das Eichholz mit zur Stadt und in der Befestigung hineinbezogen wurde, mußte von dort die Vogelstange weggelegt und für das Bolzenschießen der Hamburger Schützen ein neuer Platz auserwählt werden.[17] Man verlegte deshalb die Vogelstange hier nach dieser Gegend und einige Jahre – Gädechens[18] berichtet, die Verlegung sei 1663 erfolgt – mag hier denn auch das Schützenfest mit Sang und Klang abgehalten sein, dann aber rückte ihnen auch hier die Befestigung auf den Hals, denn 1679 wurde hier die Bastion Nr. 1 der Außenbefestigungen angelegt. Im Jahre 1809, bei der Niederlegung der Wälle, wurde auch diese Bastion abgebrochen, aber die Franzosen stellten sie, wie die meisten alten Wälle und Straßen, wieder her. Nach ihrem, Abzug erst wurde sie definitiv niedergelegt, das im Straßenzug der Straße Beim Strohhause liegende Tor Berliner Thor genannt und 1830 durch ein Gitter ersetzt. Das Hochreservoir der Stadtwasserkunst, zu dessen Füßen die Stadtbahn entlang läuft, wurde 1854/55 auf dem Terrain des 1848 abgetragenen Walles erbaut.
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Hinter der Wallstraße, die in ihrem Namen an die alte Außenbefestigung erinnert und 1864 also benannt wurde,[19] tritt die Bahn wieder auf eine Zeit in den Erdboden hinein und kommt erst hinter der Haltestelle Lübeckerstraße wieder ans Tageslicht. Indem sie unter dieser Straße hinwegfährt, durchquert sie die zweite der großen Landstraßen, die von Hamburg nach dem Osten hinausführen, die Lübeckerstraße. Erst seit 1858 führt sie diesen Namen, früher hieß sie einfach die Landstraße nach Wandsbek.
An dieser Straße stand dereinst ein Galgen, an dem Übeltäter vom Leben zum Tode befördert wurden, und der Steindamm, über den sie zum Lübecker Thor hinausgeführt wurden, trug deshalb auch den Namen Armensünderdamm.
Damit hat die Bahn das Gebiet Hohenfeldes erreicht, auf Erdschüttungen und Ständerwerk geht es in ziemlich gerader Linie dem Kuhmühlenteich zu. An der Güntherstraße ist eine Haltestelle geplant. Die Straßen, die hier die Bahn überschreitet, sind zumeist in den Jahren 1858 bis 1875 entstanden. Es mag daran erinnert werden, daß westlich des Wandsbekerstiegs, der nebenbei den schönen Namen Reichenstraße führte, einst eine von den Franzosen aufgeworfene Schanze lag, sowie daß auf den längs des Kuhmühlenteiches belegenen Ländereien früher ein Teil der Militärschießbahn errichtet war, die 1862 entfernt wurde. Hier, in der Gegend des Rossausweges, hat inzwischen der zweite Teil der Arbeiten für den Bau der Bahn begonnen. Sie bestehen zwar zunächst nur in Erdbeförderungsarbeiten zur Herstellung des Bahndammes, aber bereits im Laufe des Sommers sollen die steinernen Viadukte und Unterbauten auf den Staatsgrundstücken in Hohenfelde ausgeführt werden, wenn die Grundstücke programmgemäß bereitgestellt werden.
Nach dem Wunsch der Eilbeker sollte nun die Bahn am Kuhmühlenteich in östlicher Richtung entlang diesen beim Lerchenfeld überschreiten und dann am Eilbek-Kanal entlangführen. So wollte es auch der Senat; aber die Bürgerschaft hat anders beschlossen und den teureren Weg gewählt, auf dem die Trace direkt über den Kuhmühlenteich nach dem Immenhof geht und das Lerchenfeld dort von der Bahn erreicht wird, wo es mit dem stark frequentierten Mundsburgerdamm zusammentrifft. Dort liegt eine Haltestelle.
Die Kuhmühle wird bereits 1247 in einer Schenkungsurkunde genannt, der Teich galt mit dem Eilbek zusammen Jahrhunderte als die natürliche Verteidigungslinie der Landwehr nach Osten hin.[20]
Daß der Mundsburgerdamm seinen Namen erhielt, von dem früheren Eigentümer der Gegend, dürfte bekannt sein. Als die alte Kuhmühle und das dort liegende Chausseehaus 1874 abgebrochen wurden, ging man auch daran, den von der Aufstauung befreiten Kuhmühlenteich von den angesammelten Schlammassen zu säubern. Das sich aus diesen Arbeiten gewonnene Material gebrauchte man, um die anliegenden Straßen aufzuhöhen. So entstand auch in der Verlängerung des Winterhuderweges die Straße Lerchenfeld, die ihren Namen allerdings erst 1879 erhielt.
Von der Haltestelle Lerchenfeld geht die Bahn in etwas nach Süden geneigter Linie hinter dem Werk- und Armenhaus herum, parallel mit der Hamburgerstraße bis zur Wagnerstraße, wo wiederum eine Haltestelle projektiert ist. Hier hätte sich übrigens die von den Eilbekern und den Staatstechnikern empfohlene Linie auch wieder eingefunden.
Das Werk- und Armenhaus, das hier berührt wird, ist bekanntlich augenblicklich in einer Umgestaltung begriffen. Ein Teil der Insassen soll nach Farmsen hinausgebracht werden oder ist dort schon angesiedelt, ein anderer soll – wenngleich vorläufig – dort verbleiben. Das älteste Werk-, Zucht- und Kurhaus Hamburgs lag bekanntlich zwischen dem alten Mühlen- und Alsterthor. Als die Franzosen diesen Teil des Zuchthauses 1812 in eine maison de correction verwandelt hatten, kamen die armen Insassen zuerst nach dem Hanfmagazin auf dem Hamburgerberge, dann im Juni 1813 nach dem Kalkhof der St. Katharinenkirche. Als die Franzosen die Stadt geräumt hatten, siedelten die Armen in ihr altes Lokal wieder über und verblieben da, bis es 1842 ein Raub der Flammen wurde. In der Not des Augenblicks brachte man sie nun in dem Herrenhaus und den Scheunen der Uhlenhorst unter, wo sie verblieben, bis auf den Ackerfeldern des alten Käthnerkamps von dem Architekten Schlösser der jetzige Bau an der Oberaltenallee errichtet wurde. Am 6. November 1853 fand die feierliche Einweihung des neuen Gebäudes statt. Die arbeitsfähigen Insassen der Anstalt wurden alsbald dazu verwandt, den Eilbek, soweit er die Ländereien der Anstalt berührte, in einen Kanal zu verwandeln, was inzwischen bekanntlich mit dem ganzen Wasserlauf geschehen ist.
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Die nächste Haltestelle ist da projektiert, wo der Holsteinische Kamp mit der Wagnerstraße zusammenstößt. Von diesen Straßen zeigt der Holsteinischekamp und ebenso der Käthnerkamp und andere bestehen gebliebene Bezeichnungen an, daß wir uns wohl auf einer alten Dorfgemarkung befinden; die Straßenbezeichnung Holsteinischerkamp ist bereits 1862 festgelegt, während die Wagnerstraße – zusammen mit der Benennung der Bachstraße der erste schwache Versuch, hier eine Art musikalischen Viertels zu schaffen – erst 1878 benannt. ist.[21]
Von dieser Haltestelle an fährt die Bahn immer tiefer ins Herz Barmbeks hinein, die Wohldorfer- und Volksdorferstraße werden überschritten, ehe die Haltestelle am Markt erreicht sein wird. Hier fanden früher am Montage nach Johannis und am Montage nach Himmelfahrt die Jahrmärkte des alten, schon 1271 genannten Dorfes statt. Von hier eilt die Stadt- und Vorortsbahn nach Überschreitung des Osterbeks dem großen Bahnhof Brambek zu, wo bekanntlich jetzt schon die Bahn Blankenese – Ohlsdorf ihre Haltestelle hat. Hier erhält auch die Stadt- und Vorortsbahn neben der Staatsbahn, die von hier aus ihre Güterumgehungsbahn gehen lassen wird, ihren Betriebsbahnhof. Die Arbeiten in Barmbek sollen im Herbst 1907 mit dem Abriss der erforderlichen Privatgrundstücke beginnen, und schon im Januar 1908 will man die steinernen Viadukte und Widerlager auf diesen Grundstücken herstellen. Erst 1909 soll dagegen mit der Ausführung des Viaduktes im Garten des Werk- und Armenhauses begonnen werden.[22]
Von dem großen Bahnhof Barmbek aus fährt die Stadt- und Vorortsbahn fast nur durch unbebautes Terrain. Südlich des zukünftigen Stadtparkes, für den jetzt ein Ideen-Wettbewerb ausgeschrieben ist, sind zwei Haltestellen geplant: an der Alsterdorferstraße,[23] am Borgweg und endlich, schon im eigentlichen Winterhude, dicht bei der Willi- und Maria Louisenstraße. Der frühere Besitzer dieser ganzen Gegend, A. Sierich, hatte 1861 nach dem Vorbilde der Uhlenhorst die ganze Gegend mit Kanälen durchziehen lassen und auch Straßen, so die Sierichstraße, angelegt, aber die eigentliche Bebauung hat doch wesentlich länger auf sich warten lassen als an der schönen Uhlenhorst, und ein Teil ist immer als Park reserviert geblieben. Ihn hat nun der Staat angekauft, um in Gemeinschaft mit andere Terrains einen großen Volksgarten hieraus zu gestalten, freilich, wenn die Beratung darüber in demselben Tempo wie bisher vor sich geht, wird der Stadtpark auch dann nicht fertig sein, wenn die Stadt- und Vorortsbahn durch diese einst so friedlichen Gefilde saust.
Nachdem die Stadt- und Vorortsbahn das Eppendorfer Gebiet betreten hat, durchfährt sie zumeist noch unbebautes oder wenig bebautes Gebiet. Die erste Haltestelle auf diesem Terrain, St. Oderfelderstraße, wird so eingerichet werden, daß von hier aus die Abzweigung nach Ohlsdorf möglich wird. Der Name erinnert an ein aus der Erinnerung der Menschen verschwundenes Dorf Odersfelde. Als nämlich das ehemals in der Nähe der Elbe belegene Kloster Harvestehude nach der Alster verlegt wurde, erhielt es die Dörfer Heimechhude und Odersfelde, deren Namen durch den neuen Namen des Klosters völlig verdrängt wurden. Erst in unseren Tagen (1876) entsann man sich wieder des alten Namens und benannte danach eine der neuen breiten Straßen, die in der Nähe des Klostersterns angelegt wurde.
Die nächste Station ist an der Eppendorferstraße, direkt am Isebekkanal, der hier überschritten wird. Isebek und der jetzt verschwunden Hundebek werden schon in unseren ältesten Urkunden genannt, die Isebek, die ihre Umgebung zeitweise mit besonders schönen Düften erfreut[24] , ist jetzt bekanntlich kanalisiert, es ist aber interessant, zu erfahren, daß schon die alten Klostermeister im 17. Jahrhundert (1633) damit begannen, einen Teil diese Flußlaufes zu kanalisieren, es wurde damit namentlich bezweckt, das Land zwischen Alster und Schäferkamp von dem vielen Wasser zu befreien, das dann der Alster zugeführt wurde. Durch diese Regulierungsarbeiten entstand der Hegestieg.
Am schönen Isebekkanal entlang[25] geht dann bis zur nächsten Haltestelle Hoheluftchaussee, von der an Kanal und Bahn sich trennen. Zwischen dieser Station und der nächsten nach der Straße Schlump genannten liegt die Schlankreye. In einer Urkunde vom 14. September 1599 wird die Gegend des Schlumps als „Gröner Grasweg” bezeichnet, woher der Name Schlump gekommen ist, scheint bisher noch nicht geklärt zu sein.
Während die Trace der Bahn mit der Gegend am Berlinerthor oberirdisch verlaufen ist, beginnt von hier aus wieder der unterirdische Betrieb. Er geht unter dem historischen Boden der Sternschanze hindurch bis zu dem nach dieser ehemaligen Befestigung benannten Staatsbahnhof. Die Sternschanze ist 1682 durch den Obristleutnant Kempe auf dem Heidberg der Heimichhude gebaut. Ihren Namen trägt sie nach ihrer Form. „Jede der vier auch in der Mitte gebrochenen Seiten,” so beschreibt Gädechens sie, „war 212 Fuß lang, und in den Ecken befanden sich vier Batterien, die später mit dreizehn zwölfpfündigen Kanonen und zwei Mörsern armiert waren. Ein breiter Graben wurde durch vier in den ausspringenden Winkeln liegenden gemauerte Capponieren[26] verteidigt, und ein bedeckter Weg umgab den Graben und bildete nach der Stadtseite einen Waffenplatz, von dem ein vertiefter Weg nach dem Ravelin Carolus führte. In der Mitte dieses Weges lag eine Art Redoute mit einem Wachhause zur Bewachung des Durchschnittes, durch den die Straße geleitet war.”[27] Man kann sich vorstellen, daß die Dänen sich an einer solchen Befestigung die Köpfe einrannten, als sie 1686 anrückten, um die Stadt zu erobern. Obwohl Christian V. am 22. August des genannten Jahres die Beschießung nachmittags um 5 Uhr beginnen ließ, und bis zum nächsten Morgen fortsetzte, wobei er 156 Bomben hineinpfeffern ließ, vermochte er die Schanze nicht zu nehmen, und die Besatzung hatte nur vier Tote und zehn Verwundete. Trotzdem wurden die Wälle aber bös mitgenommen, so daß die Hamburger und die ihnen zur Hülfe geeilten Lüneburger einen Ausfall wagten, der ihnen so vorzüglich gelang, daß die Dänen aus den Laufgräben vertrieben wurden. Von den Hamburger heißt es in einer Chronik, dass sie furioser gewesen seinen als die Lüneburger, sie hätten gefochten wie die Löwen und Bären, daß die Toten haben übereinander gelegen und die Gräben angefüllt waren. In das innerste Eingeweide dieses interessanten Schlachtfeldes – die Sternschanze selbst hat schon 1805 von ihrer Höhe eingebüßt – werden nunmehr die Ingenieure der Stadt- und Vorortsbahn dringen. Vielleicht finden sie noch die Gerippe mancher Dänenhelden bei ihrer Arbeit wieder.
Die Bahn geht unmittelbar am Fuße des Freimaurerkrankenhauses entlang; dies Krankenhaus, zuerst nur für weibliche Kranke eingerichtet, lag ursprünglich (1795) am Dammthorwall errichtet, wurde aber 1804 um ein Institut für männliche Kranke erweitert. Seit 1895 liegt das neue, modernen Ansprüchen genügende Krankenhaus am Fuße des „Sternschanzengebirges”.[28]
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Der Tunnel am Sternschanzenbahnhof ist bekanntlich schon lange fertiggestellt, der neue Bahnhof, der ein wesentliches Stück weiter westlich als der alte Bahnhof liegt, wurde am 16. Mai 1903 eröffnet und wird wenn einst die Stadtbahn eröffnet sein wird, einen lebhaften Verkehr aufweisen, so daß dann vielleicht auch die Eisenbahndirektion Altona in Gnaden wieder geruhen wird, ihre D-Züge hier halten zu lassen.
Von der Haltestelle Sternschanze aus folgt die neue Bahntrace dann den Spuren der „Viehbahn”, sie wird aber, da sie unterirdisch geführt wird, kein Verkehrshindernis für die arme noch immer im Sackgassenzustand sich befindliche Marktstraße in St. Pauli sein. Diese Bahn, unter der dereinst die Menschen befördert werden sollen und die zur Verbindung der Staatseisenbahn mit dem Schlacht- und Viehhof dient, wurde 1886 erbaut.
Die Stadt- und Vorortsbahn wird also die zweite Bahn sein, die unser Heiligengeistfeld anschneidet. Dieser herrliche Erholungspunkt für tausende von Stadtkindern ist jetzt nur noch ein kleiner Rest seiner einstigen Größe. Er erstreckte sich bis unmittelbar an die Tore unserer Stadt, bis an das alte Millernthor, das in der Gegend des jetzigen Graskellers lag. Dort befand sich, früher sogar wohl noch außerhalb der Stadtgrenzen, das Heiligengeist-Hospital, nach dem das Feld benannt ist. Es ist also fast der ganze nördliche Teil des Michaeliskirchspiels auf dem ehemaligen Grund des Heiligengeistfeldes erbaut. Als die Befestigung im 17. Jahrhundert um die Stadt gezogen wurde, erhielt das Feld seine jetzige Begrenzung. Nördlich und südlich des Heiligengeistfeldes werden Haltestellen angelegt. Dieser Tunnel vom Schlump bis Helgoländerallee soll erst im Januar 1909 in Angriff genommen werden.
Nach Passieren der Haltestelle von „Concerthaus Hamburg” geht die Bahn unterirdisch weiter bis zum Hafenfährhaus, dem gegenüber die Bahn aus dem Berge heraustritt. Daß die Helgoländerallee in den Jahren 1895 – 1897 aus dem ehemaligen Elbpark entstanden ist, brauchen wir unseren Lesern wohl nicht erst ins Gedächtnis zurückzurufen. Das Hafenfährhaus, das 1896 an Stelle des früheren mitten in der Fahrstraße liegenden Baues errichtet wurde, wird nördlich von der Bahn umgangen, die dann auf Viadukten am Johannisbollwerk und den Vorsetzen entlang bis zum Binnenhafen fährt. Hier ruhen im Grunde schon die Pfeiler für die Bahnträger, die bei Gelegenheit der Sielbauten gemauert und für alle die, die die düftereichen Gegenden auf schwankendem Kahn durchfahren, deutlich sichtbar sind.[29] Die jetzige Straße Johannisbollwerk wurde früher zu den Vorsetzen gerechnet, die schon 1529 erwähnt werden und ihren Namen den Eichenbohlen verdanken, durch die das Land gegen die Fluten der Elbe geschützt wurde. Wann die Straße zuerst bebaut wurde, steht nicht sicher fest, auf jeden Fall früher als das Johannisbollwerk, deren Bebauung 1629 – 1650 vorgenommen wurde. Der Name der Straße stammt von der alten Hafenbefestigung, die 1821 teilweise, und 1837 ganz abgetragen wurde.
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Beim Binnenhafen hält unsere Bahn wiederum an. Dann überschreitet sie den ältesten Hafen Hamburgs, den Binnenhafen, der von der Alstermündung gebildet wurde. Von da aus fährt die Bahn auf Ständerwerk über den ganzen Rödingsmarkt. Über die Entstehung dieses Marktes hat sich in den letzten Jahren ein lebhafter wissenschaftlicher Streit entwickelt. Nach Dr. Walther ist wohl mit Recht anzunehmen, daß die Straße nach Rodigerus Albus, dem ältesten Ansiedler der Straße benannt worden und nicht, wie man früher annahm, eine alte Flurbezeichnung ist. Auf die Frage, wann die Straße zur Stadt gezogen worden ist, können wir uns an dieser Stelle nicht einlassen, es möge nur erwähnt sein, daß Dr. Wilhelm Becker darüber eine äußerst interessante Abhandlung geschrieben hat, die alle diese Fragen zur Genüge geklärt hat.
Vom Rödingsmarkt biegt die Bahn endlich wieder in den Mönkedamm ein, von dem wir unseren Lesern schon am Beginn dieser Erzählung das Nähere mitgeteilt haben. Von dieser Bahn gehen noch zwei Zweigbahnen, eine nach Eimsbüttel, eine nach Hammerbrook, ab, da aber der Ausbau dieser Strecken erst für die Jahre 1911 bis 1914 ausgeführt wird, so wird sich später Gelegenheit finden, diesen Spuren zu folgen.
Fachwerksbau, dessen Felder zwischen den Balken mit Strohgeflecht ausgefüllt waren..[26, Beim Strohhause]
1861 als „Kleine Wallstraße” zur Erinnerung an die hier gelegenen Befestigungsanlagen des neuen Werkes, die die Vorstadt St. Georg einschlossen (verkürzt 1899)[26, Wallstraße]