Hamburger Hochbahn (U-Bahn):
Zwei Zeitungsartikel aus dem Jahre 1938 zur Modernisierung der Hamburger Untergrundbahn

Diese Seite betrifft zwei Zeitungsartikel aus dem Jahre 1938. Beide Artikel dokumentieren Modernisierungsvorhaben im U-Bahn-Betrieb der HHA. In beiden Artikeln wird das vorgesehene weitere Vorgehen beschrieben. Die Einflüsse des Zweiten Weltkriegs bewirkten jedoch, dass das weitere Vorgehen geändert werden musste.
Geliefert 1939: Vier U-Bahn-Probetriebwagen für die HHA
1937[47, Seite 79] hatte die HHA bei vier Herstellern je einen Probetriebwagen in Ganzstahlausführung bestellt. Diese Wagengruppe wurde als „14. Lieferung” bezeichnet.
BaujahrInbetrieb-
nahme
Wagen-
nummer
Hersteller
Wagenkasten / Elektrik
Bemerkungen
1939/401946404Westwaggon / AEGDie Wagen 404 und 405 waren bis
August 1946 abgestellt. Zum
Monat der Inbetriebnahme wird
keine Aussage gemacht.[54, Seite 26]
1946405Credé / AEG
10.1940406Wumag / SSW
8.7.1940407Busch / SSW
Diese Tabelle und einige Einzelheiten des unmittelbar folgende Textes basieren in erster Linie auf Angaben in dem 1975 erschienen Buch „Die Fahrzeuge der Hamburger Hochbahn”. Leider lassen sie sich nicht in allen Punkten mit anderen Angaben in Deckung bringen. Siehe dazu den Abschnitt „Was wurde daraus?” weiter unten auf dieser Seite.

Die Wagen waren für 80 km/h konzipiert. Sie waren mit 13,4 m Wagenkastenlänge um 1,15 m länger als die Wagen aus der vorhergehenden 13. Lieferung bzw. um 1,30 m länger als die Wagen aus der 1. Lieferung.

Allerdings brach 1939 der Zweite Weltkrieg aus. Das hatte zur Folge, dass die für die Probewagen 404 und 405 benötigte elektrischen Ausrüstung erst 1946 zur Verfügung stand.

Die Wagen waren als Zweirichtungsfahrzeuge mit zwei Fahrerständen geliefert worden.

1946 wurden die zweiten Fahrerstände entfernt. Der nun leere Platz vor der zur Rückwand umgewidmeten Rückstirnwand wurde zum Aufstellen einer zusätzliche Sitzbank für 5 Fahrgäste genutzt. Außerdem wurden die in der Rückwand nicht mehr benötigten Fenster entfernt und deren Aussparungen in der Rückwand geschlossen.

In dem Bericht „Nun auch neuer Hochbahnwagen” der Zeitung „Hamburger Anzeiger” vom 15./16.1.1938, Redakteur „bt.”, wurde über die bestellten Wagen geschrieben:

Die Überschrift des Artikels beginnt mit einer aussagekräftigen Überschriftengruppe und einem Absatz zur Einstimmung:

»Hamburg Verkehr wird immer schneller
Nun auch neue Hochbahnwagen
Mehr Sitzplätze, bessere Entlüftung, stärkere Motoren

Nachdem die Hamburger Hochbahn schon vor Monaten neue Straßenbahnwagen und für ihre vermehrten Autobuslinien auch mehrere Omnibusse bestellt hat, beginnt sie jetzt auch mit der Verwirklichung ihrer Pläne zur Erneuerung ihres Hochbahnwagenparks.«

Unter der Überschrift 80 statt 50 Kilometer Höchstgeschwindigkeit geht der Zeitungsartikel auf die stärkere Motorisierung und den Unterschied zwischen gekapselten und selbstlüftenden Elektromotoren ein. Hierzu zwei Auszüge aus dem Artikel:

»Der größte Unterschied der neuen Wagen gegenüber den jetzt im Betrieb befindlichen liegt natürlich in der technischen Ausrüstung. Während die jetzigen Hochbahnwagen durch zwei gekapselte Motoren von je 74 Kilowatt-Leistung angetrieben werden, erhalten die neuen vier selbstlüftende von je 65 Kilowatt-Leistung. […] Ein weiterer Vorteil der selbstlüftenden gegenüber den gekapselten Motoren liegt darin, daß bei Dauerleistung die Stundenleistung sich auf das Doppelte steigern läßt.«

Mit Feinstufensteuerung sichert stoßfreies Fahren beginnt der nächste Abschnitt des Artikels. Demnach sollen die neuen Wagen mit Feinstufenaschaltwerken ausgestattet werden. Versuche mit einem solchen Schaltwerk, das man in einem gewöhnlichen Wagen einmontiert hat, ergaben absolut befriedigende Ergebnisse.

Der folgende Abschnitt Aufbau und Ausstattung ganz modern lobt die um einen Meter längeren Wagen, den besonderen Lüftungsaufbau auf dem Dach, die Beleuchtung des Wageninneren und insbesondere das automatische Öffnen und Schließen der Türen, die zum bequemen Aus- und Einsteigen als Doppeltüren gebaut werden. Gummiwulstleisten an den Innenkanten der Türen verhindern eine Verletzung der Fahrgäste, die ihre Hand nicht schnell genug zurückziehen sollten. Auch wird hervorgehoben, dass die Anzahl der Sitzplätze gegenüber den alten Wagen von 32 auf 48 erhöht sei und dass die Querbänke gepolstert seien. Bei den Klappsitzen lässt sich diese Bequemlichkeit allerdings nicht durchführen, da sie sonst nicht ganz hochzuklappen wären. Es wird darauf hingewiesen, dass aufgrund der Ausführung des Wagenkastens aus Stahl die neuen Wagen gegenüber den alten leichter sind – und das trotz größerer Länge und erheblich stärkeren Motoren.

Nach Schilderung all dieser tollen Eigenschaften beginnt der letzten Abschnitt Versuchsfahrten auf Außenstrecken mit einer kalten Dusche: Wann die neuen Hochbahnfahrzeuge geliefert werden können, steht noch nicht fest.. Aus dem langen letzten Satz des Artikels geht hervor, dass die HHA dringend weitere Hochbahnwagen benötigt: Im Spitzenverkehr am Morgen und nach Arbeitsschluß am Nachmittag sei oft der Einsatz von fast 90% der vorhandenen Wagen, an großen Festtagen wie z.B. am 1. Mai, sogar die Indienststellung des gesamten Wagenparks erforderlich.


Ebenfalls in der Zeitung „Hamburger Anzeiger” erschien am 29.11.1938 auf Seite 4 ohne Angabe eines Redakteurs ein Artikel zu fast dem gleichen Thema. Der vollständige Text des Artikels steht in dem nachfolgenden blau eingerahmten Kasten.

Zwei vergebene Aufträge werden in dem Artikel erwähnt. Ausgeführt wurden beide eher nicht:

»Richtschnur der Hamburger Hochbahn A.-G.:
Sicherheit und Bequemlichkeit der Fahrgäste
Selbsttätige Türschließer, Fahrsperren und Feinstufenschaltung

Der ständig steigende Verkehr stellt die Hansestadt Hamburg, wie jede andere deutsche Großstadt, vor ernste Probleme. Die zunehmende Motorisierung belastet die Straßen in einem Maße, daß die Hochbahnlinien, die bestehenden und die projektierten, immer mehr den Fahrgastverkehr aufsaugen müssen. Eine starke Verdichtung der Zugfolge, im Abstand von 90 Sekunden etwa, wird erforderlich werden, wenn die notwendige beschleunigte Verkehrsabwicklung erreicht werden soll. Für diese enorme Verstärkung des Hochbahnbetriebes müssen aber die Hochbahnwagen, die nun seit über 25 Jahren ihren Dienst versehen, modernisiert werden und einige technische Verbesserungen erhalten. Die Ingenieure der Hamburger Hochbahn A.G. arbeiten schon lange an diesen technischen Neuerungen. Zahlreiche Versuche sind jetzt zum Abschluß gekommen, nachdem sich einige neue Einrichtungen aus den Probefahrten zur vollsten Zufriedenheit bewährt haben.

Um auch von den Haltezeiten auf den Bahnhöfen etwas einsparen zu können, ist schnelleres Ein- und Aussteigen der Fahrgäste erforderlich. Das Türschließen durch Bahnsteig- und Zugschaffner nimmt häufig zu viel Zeit in Anspruch. An Sommersonntagen muß z.B. die Hochbahn auf der Haltestelle „Landungsbrücken” für jeden einzelnen Wagen einen eigenen Türschließer anstellen, um den starken Andrang überhaupt fahrplanmäßig bewältigen zu können. Deshalb werden jetzt sämtliche Hamburger Hochbahnwagen mit einer selbsttätigen Türschließvorrichtung versehen, durch die vom Führerstand aus sämtliche Türen gleichzeitig durch Druckluft geschlossen werden können. Die Fahrgäste brauchen ober keine Sorge zu haben, daß sie sich die Finger klemmen könnten. Weiche Hohlgummileisten an der Tür und an der festen Türkante verhindern, daß ein Fahrgast zu Schaden kommen kann. Nachdem die in zwei Hochbahnwagen versuchsweise eingebauten automatischen Türschließer in jeder Beziehung einwandfrei arbeiten, wie eine Probefahrt unter Führung von Dr. Prueß, dem Leiter der Hochbahnabteilung, heute vormittag zeigte, sind Türschließvorrichtungen für alle vierhundert Hochbahnwagen in Auftrag gegeben worden. Bei der Überlastung der deutschen Industrie wird es aber noch geraume Zeit dauern, bis alle Wagen damit versehen sind.

Hochbahnfahrten ruck- und stoßfrei
Trotz des schnelleren Startens und Bremsens, das zur Fahrzeitverkürzung für die schnellere Verkehrsregelung erforderlich ist, werden die Hochbahnwagen völlig ruck- und stoßfrei fahren. Die Hamburger Hochbahningenieure haben eine Feinstufenschaltung konstruiert, die statt der jetzt gebräuchlichen acht 360 Schaltstufen hat. Diese Schalteinrichtung, die die Bedienung des Wagens wesentlich vereinfacht, wird für die Anfahrt und zum elektrischen Bremsen benutzt. Der Bremsweg wird dadurch von 120 auf 90 Meter verkürzt. Trotzdem kommt der Wagen sanfter als bisher zum Stehen. Aus der Rothenburgsorter Strecke hat sich jetzt sechs Monate lang ein Wagen mit dieser neuen Feinschaltung so ausgezeichnet bewährt, daß die neuen Hochbahnwagen, von denen achtzehn bereits in Auftrag gegeben sind, damit versehen werden.

Sicherheit zuerst
Ein schwieriges Problem sind bei allen schienengebundenen Verkehrsmitteln die sogenannten Fahrsperren, Einrichtungen, die beim unbeabsichtigten Überfahren eines Haltesignals den Zug selbsttätig abbremsen. Dipl.-Ing. Kroebel von der Hamburger Hochbahn hatte eine mechanische Fahrsperre entwickelt, die durch einen vorspringenden Teil der Stromschiene die Bremsen am Wagen auslöste. Die Vereinigten Eisenbahn – Signalwerke haben nun für die Hamburger Hochbahn eine magnetische Fahrsperre konstruiert, mit der nunmehr Versuche in großem Umfang gemacht werden.«

Was wurde daraus?

Von den ambitionierten Vorhaben konnte kaum etwas realisiert werden. Dazu geben die jährlichen Geschäftsberichte der HHA einige Auskünfte. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die nicht erstellten Geschäftsberichte für die Jahre 1943 und 1944 erst 1946 nachgeholt wurden. Sie wurden nachgeholt, obwohl viele Buchungen und Rechnungen durch den Brand des Hochbahnhauses vernichtet waren.[47, Seite 123] Der Geschäftsbericht für das Jahr 1946 wurde erst 1949 erstattet.[47, Seite 124]


Somit wurden während der gesamten Nazizeit von 1933 bis 1945 lediglich zwei bis drei neue Hochbahntriebwagen in Betrieb genommen.
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