Straßenbahnen in Hamburg:
Die kurzlebigen Versuchstriebwagen V4

Nur von April 1940 bis Ende Juli 1943 waren die Versuchstriebwagen Typs V4 in Betrieb. Für Fotos und Zeichnungen sei auf die Literaturstelle 52, Seiten 77–85 und auf das angepasste Modell des Dresdner Hechtwagens im Maßstab 1:87 (Link oben auf dieser Seite) verwiesen.

Zur Übersicht: Ein Zeitungsartikel vom 25.5.1940

Im Hamburger Tageblatt vom 25.Mai 1940 erschien etwa sieben Wochen nach Inbetriebnahme der beiden ersten V4-Triebwagen.ein bebildeter Zeitungsartikel. Leider wird der Verfasser nicht angegeben. Sein durch einige Absätze ergänzter Text lautet:
„Hechtwagen” der Straßenbahn in Hamburg
Vorläufer für unsere zukünftige Straßenbahn – Zwei Modelle in Betrieb – Ein drittes folgt bald – technische Neuerungen für Personal und Fahrgäste günstig

Die Hamburger Hochbahn hat in diesen Tagen in ihrem Straßenbahnbetrieb zwei neue Modelle eingesetzt. Sie geben einen Begriff davon, wie Hamburgs Straßenbahn später einmal aussehen wird. „Hechtwagen” werden sie von Kennern deshalb genannt, weil sie schon von weitem durch ihre langgestreckte Form und die spitz zulaufenden Enden auffallen.

Für den Fahrgast bieten die neuen Wagen außer dem allgemeinen angenehmen Eindruck manche Ueberraschung. Da ist die besonders gute Federung des ganzen Wagens, das schnelle und doch kaum spürbare Anfahren. Für die Damen gibt es an den Seitenwänden nette kleine Ablagetische. Die Sitze sind gepolstert.

Oben im Wageninnern angebrachte, durch Motorkraft betriebene Ventilatoren sind für die Entlüftung da. Ein Druck auf den Knopf, und der stärkste „blaue Hecht” ist wie weggeblasen. Der Name „Hechtwagen” kann also nicht missverstanden werden.

Es gibt auch kein Klingeln mehr. Der Schaffner gibt dem Fahrer sein Zeichen durch einen diskreten Summer. Der Techniker wird besonders den Fahrerstand beachten, Von einem „Stand” kann eigentlich auch keine Rede mehr sein, denn der Fahrer hat einen bequemen Sitzplatz. Der eine der beiden Wagen hat eine halb selbsttätige Druckknopf-Steuerung, der andere ein ebenfalls neuzeitliches Schaltwerk mit Kurbel. Bei dem Wagen 3068 liegen die Achsbuchsen außen, bei dem Wagen 3069 geben die Innenachsbuchsen, von außen nicht erkennbar, dem Aeußeren des Wagens ein besonderer Aussehen. Im Laufe des Sommers wird wahrscheinlich noch ein drittes Modell mit der Nummer 3067 in den Verkehr eingesetzt werden.


Anmerkungen: Wagen 3068 wurde am 13.4.1940 in Betrieb genommen. Er konnte nur im Automatikbetrieb fahren. Wagen 3069 wurde am 10.4.1940 in Betrieb genommen. Er hatte einen feinstufigen Fahrschalter der AEG der ein Schaltwerk in Wagenmitte unter dem Fußboden betätigte.

Anders als es im Artikel als „wahrscheinlich” bezeichnet wurde, erfolgte die Inbetriebnahme des Wagens 3067 erst am 18.10.1941.

Die Versuchstriebwagen V4

Die Quelle für den nachfolgende Text ist die Datei STRABVWG.DOC vom 16.12.1999, Seiten 179 bis 184. Eine Verwandtschaft zum Text in 52, Seiten 77–85 ist erkennbar. Der Text in STRABVWG.DOC enthält jedoch mehr Einzelheiten. Der dortige Originaltext wurde zur Webdarstellung behutsam angepasst.
Ab dem Jahre 1937 wurden von der HHA Verhandlungen über neue Triebwagen mit 4 Wagonfirmen geführt. Der neue Typ sollte als Vorbild an den Dresdner Straßenbahntyp „Hecht” angelehnt sein. Die Firmen Westwaggon, Credé und Uerdingen lieferten je einen vierachsigen Zweirichtungstriebwagen. Die Waggonfabrik in Wismar sollte dazu einen Beiwagen liefern, der aber wegen der Kriegsereignisse nicht mehr gebaut wurde.

Technische Daten der V4-Trieb- und Beiwagen
Wagennummer:306730683069geplanter Beiwagen
Hersteller:WestwaggonCredéUerdingenWismar
Länge ü.Plattformen;14,48 m14,48 m14,60 m14,17 m
Breite:2,20 m
Eigengewicht:17,6 t18,0 t15,3t10,5 t
Drehzapfenabstand:5,20 m
Achstand im Drehgestell:1,60 m
Raddurchmesser:660 mm
Sitzplätze:323636
Stehplätze:5451?
Fußbodenhöhe über Schienenoberkante:675–735 mm675–780 mm
Motoren:4 mal BBC GDTM 1272 je 42 kWentfällt
Höchstgeschwindigkeit:65 km/hentfällt
Inbetriebnahme:18.10.194113.04.194010.04.1940entfällt
Ausmusterung/Verschrottung:.Juli 1943/??/25.07.1945entfällt
Die 3 Triebwagen waren in vielen Ausführungen identisch. Der selbsttragende Stahlwagenkasten mit dem gewölbten Tonnendach hatte auf jeder Seite in Fahrtrichtung vorne rechts eine schmale, hinten eine doppelte breitere, Außentür zum Ein- und Ausstieg. Auf dem Dach hatten der Triebwagen 3069 anfangs zwei Lyrabügel und über den Fahrerräumen je einen ferngesteuerten Dachautomaten. Zwischen den Stromabnehmern waren die Dachwiderstände.

Gleich waren auch die Fahrtzielanzeiger der Firma „Brose”, die 4 Schienenbremsen mit je 2900 kg Zugkraft und die aufschiebbaren Fensteroberteile.

Die Wagen hatten je 4 Halbspannungsmotoren, die eine Höchstgeschwindigkeit von 65 Kilometer erlaubten. Die 4 BBC-Motoren vom Typ GDTM 1272 mit 1150„U/min wurden auch in den V5 Triebwagen verwendet. Überdies galten diese Fahrzeuge als Versuchsobjekte für spätere Fahrzeuglieferungen für die HHA.

Diese drei Triebwagen besaßen eine Schwachstromanlage mit einer Batterie von 36 Volt, die zur Ladung hinter einer Kette von 550 Volt Verbrauchern angeschlossen war. Man nannte solche Batterieladungen „Pinkelladung”. Sie befand sich in der Wagenmitte unter dem Fußboden. An ihr waren folgende Verbraucher angeschlossen: Fahrtwender mit den Kontrollleuchten für die Fahrtrichtung, Schaffnersignal, Warnglocke, Überstromschalter und anfangs die Türsteuerung.

Die Lackierung war creme/rot mit hellen Zierstreifen.

Der Wageneinsatz der V4 Triebwagen erfolgte vom Betriebsbahnhof Lehmweg (Kennbuchstabe „N”), denn er befand sich ja direkt neben der Hauptwerkstatt Falkenried, um bei Störungen in diesen Versuchsfahrzeugen schnell „Abhilfe” leisten zu können.


Der Wagen 3067 von Westwaggon hatte 24 Quer- und 8 Längssitzplätze. An einem Ende gab es ein Raucherabteil mit 10 Plätzen, welches mit Schiebetüren zur Fahrgastraummitte abgeteilt wurde.

Die Drehgestellrahmen waren als geschweißte Blechkonstruktion erstellt. Die Enden der unter den Lagern angebrachten Blattfedern lagen in Gummipuffern. Die Drehgestelle hatten außenliegende Achsrollenlager. Die Handbremse war als Scheibenbremse mit Wirkung auf Radsatz und Ankerwelle konstruiert. Die Steuerung war eine halbselbsttätige Feinstufensteuerung vom „,System Bockemühl ” bzw. „System Sachsenwerk”, bei der der Fahrer

Durch Betätigen des Handrades in eine Bremsstellung wurde die Automatik des Fahrprogrammes abgeschaltet und die Bremsverzögerung konnte durch den Fahrer eingeleitet und beliebig geregelt werden. Das Anfahren erfolgte in Serien- Parallel- Schaltung, die Steuergeräte waren unterhalb des Fußbodens zwischen den Fahrgestellen untergebracht.

Erstmals bei HHA-Triebwagen gab es elektrische Fernbedienung für Überstromschalter „Ein”, Weichenstellung, elektrische Warnglocken und „Vor- Rückwärts” Fahrt. Die Anfahr- und Bremswiderstände auf dem Dach lagerten in einem Wassererhitzer, wobei das Wasser im Winter zum Heizen des Fahrgastraumes genutzt wurde. Im Sommer wurde das Wasser durch ein Kühlregister auf dem Dach geleitet und somit durch den Fahrtwind gekühlt.

Anfang 1942 wurde dieser Wagen zum Einrichtungswagen umgebaut. Dabei wurde die automatische Fahrsteuerung ausgebaut, der Fahrer betätigte die Schaltwerksteuerung mit dem Handrad. Die vordere Kontaktstange auf dem Dach und die Trennwände im Fahrgastraum wurden entfernt. Der Wagen wurde auf den Linien 8 und 24 eingesetzt, in den Verkehrsspitzen auch mit einem V5- oder V2-Beiwagen.


Der Wagen 3068 von Credé unterschied sich hauptsächlich in der geänderten Fenstereinteilung und der Sitzplatzanordnung vom Wagen 3067. Das Raucherabteil befand sich mit 12 Längssitzen in der Wagenmitte und war mit 2 Trennwänden zu den Nichtraucherabteilen abgeteilt. Beidseitig schlossen sich die Nichtraucherzonen an, die jeweils 6 (2+1) Quer- und 4 Längssitze hatten. Diese Räume hatten zu den Plattformen keine Trennwände. Die elektrische Ausrüstung entsprach weitgehend der des Wagens 3067, hier gab es allerdings keine Handfahrmöglichkeit, hier konnte der Fahrer nur mit der Automatik fahren.

Auch dieser Wagen lief vom Betriebsbahnhof Lehmweg auf der Linie 24, doch mehr auf der Linie 3 und seltener mit Beiwagen. Während seiner kurzen Betriebszeit lief er schon mit Reklame von der Firma „Cola Cola”!!


Der dritte V4 Triebwagen 3069 von der Waggonfabrik Uerdingen hatte die traditionelle Sitzplatzanordnung der V2 Fahrzeuge erhalten. Er bot auf 12 Längs- und 24 Quersitzen (2+1) 36 Fahrgästen Sitzplätze an. Ein Raucherabteil mit 12 Sitzplätzen gab es auch hier. Eine Trennwand mit Schiebetür trennte das Raucherabteil vom Nichtraucherraum. Zu den Plattformen gab es keine Trennwände. Vorne jeweils in Fahrtrichtung gab es eine einfache Schiebeaußentür, hinten war eine doppelte Teleskopschiebetür vorhanden. Die Türen aller V4 Fahrzeuge konnten zunächst vom Fahrer mit Hilfe einer pneumatischen Schließeinrichtung geschlossen werden, die jedoch später wieder ausgebaut wurde. Die Drehgestelle ähnelten denen der V5 Triebwagen, sie hatten Innenlager und doppelt gewellte Leichtbauradsätze. Die Handbremse wirkte hier traditionell mittels Handrad wieder auf die Klotzbremse.

Die Anfahr- und Bremswiderstände wurden auf dem Dach durch den Fahrtwind gekühlt, keine Wasserkühlung. Nach längeren Versuchen mit AEG Feinstufer-Fahrschalter wurde zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme im April 1940 ein Siemens Unterflur- Nockenschaltwerk eingebaut. Dieser Triebwagen war das längste und leichteste Fahrzeug seiner Baureihe. Er hatte im Jahre 1941 einen schweren Unfall, was zur Folge hatte, das sein Kastenuntergestell verstärkt wurde. Auch dieser Wagen wurde 1942 zum Einrichtungswagen umgebaut. Die vordere Kontaktstange wurde entfernt, die linken Türen zugeschweißt, der hintere Fahrerstand entfernt. Die Rauchertrennwand wurde entfernt, dafür kam eine neue Trennwand mit Doppelschiebetür zwischen Vorderplattform und Fahrgastraum. Auch dieser Wagen lief vom Betriebshof N überwiegend auf den Linien 3 und 24, zeitweise mit V5 Beiwagen.


Alle V4 Triebwagen liefen vom Betriebshof Lehmweg überwiegend auf den Linien 3, 8 und 24. Im Regelfall liefen sie solo, zeitweise waren sie behängt mit einem Beiwagen vom Typ V5B oder V2B.

Das Ende der 3 Triebwagen vom Typ V4 wurde folgendermaßen überliefert. Die Wagen 3068 und 3069 waren nach Versuchen im Juli 1943 in Falkenried hintereinander auf Probefahrt. Am Eppendorferbaum fuhr der eine Wagen leicht auf den vorderen Wagen auf. Zur Beseitigung der Schäden mussten beide Wagen zur Hauptwerkstatt Falkenried zurück. Dort befand sich auch der 3067 für eine Reparatur. Hier fielen sie gemeinsam den Bombenangriffen auf Falkenried zum Opfer. Da der 3069 nur einen Teilschaden erlitt, plante man noch einen Wiederaufbau, deshalb wurde er im Bestand auf dem Betriebshof N bis Juli 1945 geführt. Doch dann wurde er doch verschrottet. In den Jahren 1940 bis 1943 gab es folgende Stückzahlen auf dem Betriebsbahnhof „N” bzw. Lehmweg:

Anzahl V4-Triebwagen auf dem Betriebshof Lehmweg
1940194119421943
2 3 3 3

Strassenbahntriebwagenliste V4
TypInbetriebnahmeHerstellerWagennummerAusgemustert
wann / weil
Bemerkungen
V418.10.1941Westwaggon30671943 / Kriegsverlust
V413.04.1940Credé30681943 / Kriegsverlust
V410.04.1940Uerdingen30691943 / KriegsverlustVerschrottet Juli 1945
Die HHA hatte für alle drei V4-Triebwagen 1938 als Baujahr vermerkt.[172]
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