Die elektrische Hamburger Straßenbahn fuhr von Anfang bis Ende (1894 bis 1978) mit Rollenstromabnehmern. 1892 machte die Union Electricitäts-Gesellschaft (UEG, es war eine Tochter der General Electric Company) ihr Angebot zum Bau und zur Einführung der elektrischen Straßenbahn. Die Straßen-Eisenbahn-Gesellschaft (SEG) akzeptierte das Angebot.
Auch die beiden anderen Hamburger Straßenbahngesellschaften (die Hamburg Altonaer Pferdebahn und die Hamburg Altonaer Trambahn) beschafften bei ihrer Umstellung auf elektrische Traktion die gleiche Ausstattung mit Rollenstromabnehmern. Die elektrische Ausrüstung ihrer Straßenbahntriebwagen beschafften sie von Schuckert & Co. in Nürnberg. Damit war ein einheitlicher Straßenbahnnetzbetrieb möglich.
Zumindest die SEG bezog ihren Strom von Anfang an von den Hamburgischen Electricitätswerken (HEW) — vergleiche dazu hier. Die Hamburg-Blankeneser Straßenbahn (Elektrische Bahn Altona-Blankenese A.G.) erzeugte ihren Strom mit einem eigenen kleinen Elektrizitätswerk in ihrem Betriebshof.
Die Kleinbahn hat den Drehstrom von 6000 Volt von den Hamburgischen Electricitätswerken zu beziehen […], hat den Strom in Gleichstrom von 500 bis 600 Volt umzuformen und der Strecke Volksdorf - Wohldorf unter Einschaltung besonderer Gleichstromzähler zuzuführen[…]. Bis zur Inbetriebsetzung des Unterwerks Volksdorf liefert die Kleinbahn den Strom aus den vorhandenen Gas-DynamomaschinenDie HEW lieferte den Strom ab dem 5.10.1921. Die Kleinbahngesellschaft erlöste aus dem Verkauf ihrer Gas-Dynamomaschinen einen Überschuss von 39789,30 Mark entsprechend 1504,95 Goldmark.[104,Seite 28,30,36]
Aus alten Fotos geht hervor, dass es sich um eine tragseillose Fahrleitung handelte, d.h. es war eine Fahrleitung ohne Flach- oder Hochkettenaufhängung. Einige der Fotos lassen zwei nebeneinander geführte Fahrdrähte erkennen.[Fahrdrahthalter der EKV] Der bzw. die beiden Fahrdrähte hingen an Auslegermasten oder an der Querverspannung zwischen zwei Masten. Auch Hausbefestigungen hat es gegeben. Bei den meisten Masten handelte es sich um Holzmaste. Außerdem wurden Maste aus zusammengenieteten Profilstahl verwendet.
Die Stromabnahme erfolgte anfänglich mit Lyrabügeln, später (ab 1934 ?) wurde auf Scherenstromabnehmer umgerüstet.
Bei den Hamburger Straßenbahnen betrug die Normalhöhe der Straßenbahnfahrleitung 5,70 m über Schienenoberkante. Unter Brücken wurde die Fahrleitung durch die isolierte Montage mittels Holzkästen abgesenkt. Bei einer 4 m hohen Brückendurchfahrt ergaben sich so 3,80 m Fahrleitungshöhe.
Bei Trassen auf eigenem Bahnkörper wurde eine Flachkettenaufhängung an Auslegermasten bevorzugt. Der temperaturabhängige Längenunterschied bei 60° Temperaturänderung (-20° bis +40°) beträgt 1‰, der mittlere Fahrleitungszug betrug etwa 700 kp. Die Fahrleitungen wurden nicht überall automatisch nachgespannt, sondern im Frühjahr und im Herbst rückten die Turmwagen der Fahrleitungsmeisterei zum Nachspannen aus.
![]() | Die Skizze zeigt das Prinzip der Fahrdrahtaufhängung mit Flachkette. Die Maste sind grau, die Tragseile bzw. Spanndrähte der Fahrdrahtaufhängung sind blau und der Fahrdraht ist rot gezeichnet. Neben dem Fahrdraht sind
die Tragseile gespannt.
Wenn das Tragseil wie bei der Eisenbahn über dem Fahrdraht gespannt ist, spricht man von Hochkette. Die Aufhängung des Fahrdrahtes an einer Kette ermöglicht eine größeren Abstand der Haltemasten bzw. Wandbefestigungen untereinander. |
Die Fahrleitungsmaste gab es in allen Variationen:
1956 trugen 11113 Maste die Fahrleitung. Rund 2500 davon wurden gemeinsam mit der Straßenbeleuchtung benutzt.
Einige der Mastmaterialen mussten angestrichen werden. Hier bevorzugte man unauffällige graue Farben. Nur in Flughafennähe waren sie mit einem weißen-roten Warnanstrich versehen. In nur wenigen Straßen — z.B. Jungfernstieg — und nur in der Anfangszeit wurden Schmuckmaste benutzt. Diese waren vermutlich nicht im unauffälligen Grau angestrichen worden.
Noch im Jahre 1956 gab es 3810 Rosetten zur Halterung der Fahrleitung an Hamburger Häusern. Die Rosetten wurden mit vertraglich abgesicherter Einwilligung des Hauseigentümers angebracht. Die aus Grauguss bestehenden Rosetten waren überwiegend durch Schnörkel verziert. Später wurden schnöde Mauerbolzen als Wandhalterung verwendet. Zur Schalldämmung ging von der Rosette ein kurzer Spanndraht zu einem zylindrisch geformten Schalldämpfer. Es folgte ein weiterer kurzer Spanndraht zum Isolator. Jenseits des Isolators führte ein weiterer Spanndraht zur Fahrleitung.
Der elektrische Fahrstrom wird beim Rollenstromabnehmer mittels einer aus Bronze bestehenden Kontaktrolle zugeführt, Die Kontaktrolle ist am oberen Ende der Stromabnehmerstange im Rollenkorb drehbar gelagert. Wegen ihrer hohen Drehzahl ist sie mit einer Schmiervorrichtung versehen.
Das untere Ende der Stromabnehmerstange ist im Federbock (Kontaktblock) drehbar um eine senkrechte Achse befestigt. Somit kann sich die Stromabnehmerstange in den Kurven entsprechend mitdrehen.
Die Kontaktrolle wird durch Zugfedern an den Fahrdraht angepresst. Die Zugfedern greifen am Federbock an das untere Ende der Stromabnehmerstange an.
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![]() | Kontaktrolle der Hamburger Straßenbahn ab 1950, 180 mm Durchmesser, selbstschmierende Kohlebuchse |
Die Stromabnehmerstange war je nach Wagentyp bis zu 4,80 m lang. In Hamburg drückte Kontaktrolle mit 12 kp[1] an den Fahrdraht. Bis 1950 hatten die Kontaktrollen einen Duchmesser von 14 cm und sie mussten an jedem Betriebstag mit einer Fettpresse geschmiert werden. Danach wurden Kontaktrollen mit 18 cm Durchmesser eingeführt. Diese neuen Kontaktrollen waren mit einer selbstschmierenden Kohlebuchse ausgestattet und brauchten nicht mehr geschmiert zu werden. Diese Rollen standen 20000 bis 25000 km durch. Sie hatten 14,9 cm Abrolldurchmesser — somit hielten sie rund 45 Millionen Umdrehungen aus. Ihr Gewicht betrug etwa 3 kg.
Aber auch der Fahrdraht hielt nicht ewig. In Hamburg bestand der Fahrdraht aus einem Runddraht von 10 mm oder von 8 mm Durchmesser. Der dickere Fahrdraht hielt 2,2 Millionen Duchfahrten, der dünnere Fahrdraht hielt nur 1,75 Millionen Duchfahrten. In Kurven war die Lebensdauer kürzer. Jährlich wurden im Zeitraum 1950 bis 1956 durchschnittlich 17 km Fahrdraht von rund 400 km gesamter Fahrdrahtlänge erneuert (1956 betrug die gesamte Fahrdrahtlänge rund 470 km. Hinzu kamen 600 km Spanndraht. In jenem Jahr hatte das Hamburger Straßenbahnnetz mit 463 km Gleislänge seine größte Ausdehnung).
1956 lieferten die Hamburgischen Electricitätswerke den Strom an 30 Gleichrichterunterwerke. Die Unterwerke erzeugten daraus Gleichstrom von 600 Volt und versorgten 112 Speisepunkte. Mehrere Speisepunkte wurden von einem Gleichrichterwerk versorgt. Der jährliche Straßenbahnstromverbrauch belief sich seinerzeit auf etwa 50 Millionen Kilowattstunden.
Die letzte Strecke der Straßenbahn vom ZOB (Zentraler Omnibusbahnhof) am Hamburger Hauptbahnhof bis Schnelsen war 12,9 km lang. Für diese kurze Strecke waren 6 Gleichrichterwerke und 16 Speisepunkte in Betrieb.
Bei den Speisepunkten befanden sich am Straßenrand Schaltkästen mit Stromzählern und Sicherungen für 600 Ampere. Auch am Speisemast waren Sicherungen angebracht — 500 Ampere, träge. Die Stromzuführung konnte durch einen verriegelten Hebel am Speisemast unterbrochen werden.
Die Fahrleitung war in Fahrleitungsabschnitte unterteilt. An den Abschnittsgrenzen waren Trennschalter eingebaut. Die Trennschalter und die Schalter an den Speisemasten waren baugleich. Jedoch waren die Schalter an den Speisemasten normalerweise geschlossen (ein); die Trennschalter waren normalerweise geöffnet (aus).
Auch Blitzableiter waren bei der Fahrleitung vorhanden. Sie waren im Abstand von 500 m eingebaut.
![]() Luftweiche der Hamburger Straßenbahn |
Über den Kreuzungen waren „Luftkreuzungen” eingebaut.
»Etwas später (1885) brachte Van Depoele (Van Depoele Electric Manufacturing Company) eine wichtige Neuerung: die Unterführung des Arbeitsdrahtes mittelst einer Rolle auf der Bahn zu Toronto, Ca. Zu diesem Zwecke wurde der Trolleydraht über der Mitte des Geleises angeordnet. Auf dem Wagen war eine lotrecht stehende Stange angebracht, deren eines Ende die metallene Contactrolle trug und deren anderes Ende in einer Metallröhre stak. Die Stange wurde mittelst einer in der Metallröhre befindlichen Spiralfeder emporgedrückt, so dass also die Contactrolle den Höhenänderungen des Arbeitsdrahtes folgen konnte.«
![]() Früher Stangenstromabnehmer von Frank J. Sprague |
»Eine weitere Vervollkommnung des Van Depole'schen Stromabnehmers finden wir auf der im Jahre 1888 von dem genialen Frank J.Sprague erbauten elektrischen Bahn in Richmond. In der Mitte des Wagendaches war eine federnde, schief liegende Holzstange s angebracht, deren oberes Ende eine kupferne Rolle r trug, welche durch eine am unteren Ende der Stange wirkende Spiralfeder gegen die Leitung gepresst wurde (Fig. 8a). Beim Umkehren des Wagens konnte die Holzstange sammt der Rolle einfach um 180° herumgeschwungen werden und zwar diente hierzu eine am oberen Ende der Holzstange befestigte Leine. Die schiefe Lage der Stange, welche für jede Fahrtrichtung beibehalten werden konnte, gestattete eine besonders gute Anschmiegbarkeit der Rolle an die Leitung. Beim Passiren der Weichen musste die Rolle unter dem Contactdraht hinweggezogen werden und zwar auf die Weise, dass die Kante der Rollerille sich über den Weichendraht hinüberwälzte. Es war daher ganz natürlich, dass die Rolle bei ungenauer Lage des Arbeitsdrahtes oftmals aussprang. Um nun beim Ausspringen der Rolle aus dem Arbeitsdraht dieselbe wieder in den Arbeitsdraht zu bringen, wandte Sprague eine Rolle an, welche ausser der eigentlichen Rille noch spiralförmige Schraubennuten erhielt und dadurch ein selbstthätiges Einlaufen des Contactdrahtes in die Laufrille gestattet (Fig. 8b).«