Richard Kuöhl in Hamburg:
Die Finanzdeputation am Gänsemarkt

»Der durch Ankauf eines Nachbargrundstücks am Gänsemarkt auf rund 4000 qm vergrößerte Staatsplatz Neue ABC-Straße – Valentinskamp – Gänsemarkt, auf dem das Haus Nr. 39 stand, wurde 1914 zum Bau eines Dienstgebäudes für die Finanzdeputation ausersehen. Durch Verbreiterung des Valentinskamp[sic] auf 17 m verringerte sich die Platzgröße auf rund 3750 qm. Wegen Ausbruch des Krieges mußte die Angelegenheit zunächst ruhen; zwar wurden Ende 1918 für das Dienstgebäudes rund 2,9 Millionen Mark bewilligt, aber der Teuerung wegen begann man nicht mit dem Bau.

Das alte Haus Nr. 39, welches nach Verlegung des Hauptzollamtes Kehrwieder nach der Verlegung der Generalzolldirektion Jungiusstraße, nebst anderen Baulichkeiten auf dem Platz abgebrochen wurde…[169, Band 1, Seite 112f]
Finanzdeputation am Gänsemarkt Finanzdeputation am Gänsemarkt, Laterne neben dem Eingang Gänsemarkt
Das von 1919 bis 1925/1926, mit einer Bauunterbrechung in den Jahren 1920 bis 1923/24, errichtete Gebäude der Finanzdeputation erhebt sich wie eine Raubritterburg am Gänsemarkt in der Hamburger Innenstadt. Dieser Eindruck wird durch den „Wehrturm” noch verstärkt.

Auf dem Bild sind die Staffelgeschosse zu erkennen: Schon damals wusste man, wie man möglichst viel umbauten Raum auf einem begrenzten Grundstück unterbringen kann.

Scheinbar unmotiviert springt diese große Laterne beim „Wehrturm” aus der Wand hervor. Sie ist nicht zu übersehen ― das verdankt sie der geriffelten Keramik, den mit blassblauer Lasur hervorgehobenen unteren Kanten und dem Einsatz von Goldverzierungen.

Wenn ich nicht genau wüsste, dass das Finanzamt nie genug Geld bekommen kann und deshalb am Geld förmlich klebt, würde ich vermuten: Man sieht, wo das Geld der Bürger hin verschwunden ist. Anders formuliert: Dies Gebäude hat den aufwendigsten Klinkerkeramikschmuck, den ich bisher entdeckt habe. Fritz Schumacher und Richard Kuöhl haben auch hier zusammengearbeitet.

Klinkerkeramik über dem Eingang Gänsemarkt

Klinkerkeramik über den Eingängen Gänsemarkt und Valentinskamp

Über den Eingängen Valentinskamp und Gänsemarkt fahren zwei Koggen auf eine Stadt zu. Das Hamburger Wappen stellt klar, welche Stadt es ist. Sinnbildlich ― aber eindeutig ― wird hier dargestellt, wohin die Bürger ihr Geld zu bringen haben.

Der keramische Fassadenschmuck von Richard Kuöhl wurde von den Firmen Richard Blumenfeld AG in Velten und Charlottenburg sowie von Haenlein Baukeramik GmbH in Hamburg-1 ausgeführt. Laut einer anderen Quelle wurde er bei der Kunsttöpferei Wessely in Hamburg-Eppendorf gefertigt.

Es lohnt sich, nicht so schüchtern zu sein, und den Eingang Valentinskamp zu betreten. Man geht einige Treppenstufen hoch, gelangt durch eine Tür in einen Flur und kann direkt gegenüber in den Warteraum bzw. die „Ehrenhalle” blicken: Es ist ein mit Majolikakeramiken künstlerisch ausgekleideter Saal. Er hat den Spitznamen „Bananensaaal” erhalten, da die Säulen eine entfernte Ähnlichkeit mit Stauden haben (sollen). Die Kacheln sind eine Gemeinschaftsarbeit von Richard Kuöhl und der Firma Villeroy und Boch.

Auch die großen Bronzetürgriffe gehen auf Richard Kuöhl zurück.

Mittlere Klinkerkeramik über dem Eingang Gänsemarkt
Die gleichen Schiffe flankieren die unterschiedlichen mittleren Klinkerkeramiken der Eingänge Gänsemarkt und Valentinskamp.

Das vorherige Foto ist vom 29.10.2021. Die Terrakotten werden vor den Tauben geschützt. Die vier folgenden Fotos entstanden am 25.2.2003. Damals erfolgte dort noch keine Taubenabwehr.

Linke Klinkerkeramik über dem Eingang Valentinskamp
Mittlere Klinkerkeramik über dem Eingang Valentinskamp
Rechte Klinkerkeramik über dem Eingang Valentinskamp

Klinkerkeramik über dem Eingang Neue ABC-Straße

Bei dem jugendlichen Reiter handelt es sich um Hermes. Sein Flügelhelm verrät es! Er zählt gerade sein Geld (und er ist Linkshänder). Hermes sitzt einem offensichtlich gequältem Steuerzahler im Nacken. Ihm ist zu verdanken, dass beide Füllhörner prall gefüllt sind!

Das große Wappen an der Front zum Gänsemarkt
Das Finanzamt unterstützt den Tierschutz!

Da soll noch jemand behaupten, dass Finanzamt hätte nichts für Tauben übrig! Siehe rechts oben im folgenden Bild an der Muschel! Die Taube wird sicher den geldwerten Vorteil versteuern, der ihr aus der Mitbenutzung der Fassade des Finanzamts zufließt.
Auch beim Wappen wurde die Formen durch farbige Lasuren und Vergoldungen hervorgehoben. Die Anbringung des Wappens unter einem Schlussstein betont die vertikale Fassadengliederung des Gebäudes
Das Wappen ist vom Gänsemarkt aus zu sehen.

Das Wappen wird von enem Fischer und einer Bäuerin flankiert. Der Fischer ist am Fischernetz zu identifizieren, die Frau an der grünen Blattgirlande. Das blaue Band soll die Elbe versinnbildlichen. Der Sockel ist grün eingefärbt, denn er versinnbildlicht das Land.[239, Teil 2 (Werkverzeichnis) Seite 332]

Letztes Upload: 24.03.2023 um 18:32:12 • Impressum und Datenschutzerklärung