Richard Kuöhl – Kriegerdenkmale in Hamburg:
Das Kriegerdenkmal am Dammtor

Kriegerdenkmal Dammtor
Dieser „Kriegsklotz”, das „76er Denkmal” aus Muschelkalk, steht vor einem Eingang zum „Alten Botanischen Garten” am Dammtordamm in der Nähe der U-Bahn-Station Stephansplatz. Das Denkmal ist 8,90 m lang, 4,30 m breit[shahinyalda.blogspot.de] und ca. 6 m hoch. 88 Infanteriesoldaten marschieren in Viererreihen links um den Block des Denkmals.

Im „Hamburger Fremdenblatt” vom 25.7.1936 sagte Kuöhl zur Marschrichtung: Die aus wohlerwogenen Gründen gewählte Marschrichtung, wie sie das Denkmal zeigt, bei der die linke Körperseite dem Beschauer zugekehrt ist, ergab im übrigen die Möglichkeit, die Ausrüstung zu zeigen, die der Frontkämpfer im Weltkrieg besaß. Das Seitengewehr, der Spaten, die Beilpicke, der Brotbeutel, die Feldflasche, das Fernglas, die Kartentasche und Ordensauszeichnungen wären bei einem Marsch in entgegengesetzter Richtung höchstens andeutungsweise zu sehen gewesen. Die 76er legten verständlicherweise Wert darauf, Kämpfer so dargestellt zu sehen, wie sie sie aus dem Weltkrieg in Erinnerung haben.[132, Seite 246]

Kuöhl hat das Denkmal signiert. Die Signatur ist hinter dem letzten Soldaten in der Höhe des Stiefelschaftes eingeritzt.

Kriegerdenkmal Dammtor

Der nationalsozialistische Senat in Hamburg benötigte ein Heldendenkmal. 1934 wurde ein Wettbewerb für ein Denkmal für das Hamburger Infanterieregiment 76 ausgeschrieben, an denen sich reichsdeutsche arische Architekten und Bildhauer, die der Reichskammer der bildenden Künste angehören, beteiligen konnten.[1]

Kriegerdenkmal Dammtor Richard Kuöhls Konzept gewann den 3. Preis des Wettbewerbs und Kuöhl erhielt den Auftrag über die „Großtaten der Vergangenheit” mit einem „Brückenpfeiler der Zukunft”.[2] Bauherr des Denkmals waren die Traditionsvereine des Infanterieregiments 76. Die Vorgeschichte des Denkmals wird ausführlich in shahinyalda.blogspot.de (abgerufen 10.8.2012) geschildert. Finanziert wurden Denkmal, Ehrenhain und die gärtnerische Gestaltung mit 45000 RM an Spenden und weiteren 25000 RM von städtischer Seite.[222, Seite 491]

Am 15.März 1936 war die Einweihung mit einer Militärparade. General der Kavallerie Wilhelm Knochenhauer sagte (Quelle: Die Welt, 29.10.1999) bei der Einweihung: „Wir werden den jungen Hamburger Soldaten dahin bilden und formen, dass er mit weit geöffnetem Herzen und im Innern mit Augen rechts an diesem wundervollen Denkmal des stolzen Regiments vorüberschreitet, um aus den unvergesslichen Heldentaten der 76er und aus dem große Heldentum deren Gefallener Kraft und Stärke für das eigene Tun zu erringen”.

Vermutlich hatte sich der General Wilhelm Knochenhauer die Einweihung etwas festlicher vorgestellt. Eingeladen waren der Reichskriegsminister General Werner Eduard Fritz von Blomberg (*2.9.1878 in Stargard, Pommern; †13.3.1946 in Nürnberg an Darmkrebs), der Oberbefehlshaber des Heeres, General Thomas Ludwig Werner Freiherr von Fritsch (*4.8.1880 in Benrath; †22.9.1939 gefallen bei Praga, Warschau), der Bürgermeister Carl Vincent Krogmann und der Reichsstatthalter Karl Kaufmann. Sie alle kamen nicht zur Einweihung. Adolf Hitler bzw. sein Büro schickte ein Telegramm: „Den zur Denkmalsweihe versammelten ehemaligen 76ern danke ich für ihre Grüße, die ich in kameradschaftlicher Verbundenheit herzlich erwidere. Adolf Hitler”.[132, Seite 239. Dienstgrade per 15.3.1936]



Wie alle Denkmäler versucht das Denkmal, einen Zeitgeist auszudrücken: Soldaten in Uniform, im Gleichschritt, von einem Gedanken besessen: „Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen”.

Noch ein weiteres Mal wurde Richard Kuöhl für dies Denkmal beauftragt. Am 11.November 1958 wurde die von ihm gestaltete Gruftplatte für die 6000 im Zweiten Weltkrieg Gefallenen und Vermissten des Regiments 76 im Ehrenhof des Denkmals eingeweiht. „Zur Ehre der Gefallenen und Vermißten des Zweiten Weltkrieges” steht auf der 2½ Tonnen schweren Gruftplatte aus Muschelkalkstein.[3]

Meine Mutter hat es einmal richtig formuliert: „Wahnsinn”, und mir dies Heldendenkmal als Antikriegsdenkmal interpretiert. So kann es den Helden von damals gehen!

Genau wie meine Mutter damals, wenn auch nicht so prägnant formuliert, sieht es der „Verein zur Erhaltung des 76er Denkmals” (seit dem 11.1.1995 „Bund für Denkmal-Erhaltung e.V., nicht mehr begrenzt auf das 76er-Denkmal). Der Verein interpretiert das Denkmal als Mahnmal gegen den Krieg. Er hat es jedoch nicht leicht, denn das Denkmal wird häufig mit Farbe beschmiert.

Nach Ende des 2. Weltkrieges gab es Bestrebungen, dies Denkmal zu entfernen. Unmittelbar nach dem Kriege wurde es nicht gesprengt, da der kommissarische Nachkriegs-Denkmalpfleger Hopp den britischen Besatzungsbehörden versicherte, es handelte sich nur um ein Mahnmal für die getöteten Soldaten einer Hamburger Ehrenkompanie. Viel später kam man auf die Idee, das Denkmal endgültig stehen zu lassen und ein Gegendenkmal daneben zu errichten.

1982 fand ein Künstlerwettbewerb statt, der 107 Entwürfe erbrachte. Es galt, den Platz so umzugestalten, dass aus einer Kriegsverherrlichung ein Mahnmal gegen den Krieg wird.

Die Entscheidung der Jury ist wegen der Vorgehensweise umstritten, denn die Juroren befanden keinen Entwurf als zur Ausführung geeignet. Die Kunstkommission empfahl, den Juroren Alfred Hrdlicka (*27.2.1928 in Wien; † 5.12.2009 in Wien) zu beauftragen ― und so geschah es.

Das Konzept von Alfred Hrdlicka sah eine offene Anlage vor, deren Teile die Form eines zerbrochenen Hakenkreuzes bilden würden. Deren Themen sollten die Folgen des Krieges darstellen:

Das Gegendenkmal des Wieners Alfred Hrdlicka wurde nur zur Hälfte fertig gestellt ― einige Leute sind froh, dass es nicht weiter gebaut wurde, denn seine abstrakte Darstellung ist nur schwer verständlich.
Die Schriftart erinnert an Frakturschrift. Es ist jedoch keine Frakturschrift!

Soldatenabschied von Heinrich Lersch

Die Zeile „Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!” stammt aus dem Gedicht „Soldatenabschied” von Heinrich Lersch. Heinrich Lersch wurde Anfang August 1914 einberufen. Unter dem Eindruck seiner Einberufung schrieb er das Gedicht in das Gebetbuch seiner Mutter.[4]

Es gibt viele Seiten im Internet, die sich mit dem gelernten Kesselschmied und späteren „Arbeiterdichter” Heinrich Lersch (1889–1936) und gerade mit diesem Gedicht beschäftigen. Man kann mit einer Internet-Suchmaschine nach diesen Seiten suchen, um sich eine eigene Meinung zu bilden!

Soldatenabschied von Heinrich Lersch

Lass mich gehen, Mutter lass mich gehen!
All das Weinen kann uns nichts mehr nützen,
denn wir gehen, das Vaterland zu schützen!
Lass mich gehen, Mutter lass mich gehen!
Deinen letzten Gruß will ich vom Mund dir küssen:
Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!

Wir sind frei, Vater, wir sind frei!
Tief im Herzen brennt das heiße Leben,
frei wären wir nicht, könnten wir`s nicht geben.
Wir sind frei, Vater, wir sind frei!
Selber riefst du einst in Kugelgüssen:
Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!

Uns ruft Gott, mein Weib, uns ruft Gott!
Der uns Heimat, Brot und Vaterland geschaffen,
Recht und Mut und Liebe, das sind seine Waffen,
uns ruft Gott, mein Weib, uns ruft Gott!
Wenn wir unser Glück mit Trauern büßen:
Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!

Tröste dich, Liebste, tröste dich!
Jetzt will ich mich zu den andern reihen,
du sollst keinen feigen Knechten freien!
Tröste dich, Liebste, tröste dich!
Wie zum ersten Male wollen wir uns küssen:
Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!

Nun lebt wohl, Menschen, lebt wohl!
Und wenn wir für euch und unsere Zukunft fallen,
soll als letzter Gruß zu euch hinüber hallen:
Nun lebt wohl, ihr Menschen, lebt wohl!
Ein freier Deutscher kennt kein kaltes Müssen:
Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!
Der Text ist an die aktuelle Rechtschreibung angepasst.

Fußnoten
Das Anklicken der Fußnotennummer führt bei Desktop- oder Laptopnutzung in den Text zurück.
  • [1] Die hier genannte Jahreszahl 1934 für die Ausschreibung des Wettbewerbs ist der am Denkmal aufgestellten Informationstafel (Stand 14.3.2003) entnommen. Die „Baugilde” (Amtliche Zeitschrift der Fachgruppe Architekten in der Reichskammer der Bildenden Künste) veröffentlichte dazu in Jg. 16 (1934) Heft 3, S. 95:
    »Denkmalswettbewerb Infanterie-Regiment „Hamburg” Nr. 76.
    Zur Erlangung von Entwürfen für ein Erinnerungsdenkmal schreibt der Bund der 76er Vereine e.V. einen Wettbewerb aus. Zugelassen sind reichsdeutsche, arische Architekten und Bildhauer, die der Reichskammer der bildenden Künste angehören (oder zur Aufnahme gemeldet sind) und entweder in Groß-Hamburg ihren Wohnsitz haben oder dort geboren sind bzw. im Inf.-Regt. „Hamburg” (2. Hanseatische) Nr. 76 gedient oder gekämpft haben. Als Preise sind vorgesehen:
    1. Preis: RM. 1500;
    2. Preis: RM. 1000;
    3. Preis: RM. 750;
    4. Preis: RM. 500.
    Der Ausschreiber behält sich vor, weitere Entwürfe anzukaufen. Letzter Einsendetermin: 9. April 1934. Die Wettbewerbsbedingungen sind durch die Behörde für Technik und Arbeit, Hochbauwesen, Hamburg, Bleichenbrücke 17, Zimmer 96, unentgeltlich zu beziehen. Die Preisrichter werden nachträglich bekanntgegeben.«

  • [2] zitiert aus: Volkwin Marg und Reiner Schröder: Architektur in Hamburg seit 1900, Hamburg 1993 Die Zeitschrift „Baugilde” teilte in Jg. 16 (1934) Heft 9, S. 326 mit:
    »In dem unter Hamburger Architekten und Bildhauern ausgeschriebenen Wettbewerb erhielt
    den 1. Preis: Architekt BDA Erich zu Putlitz;
    den 2. Preis: Bildhauer E. E. Becker;
    den 3. Preis: Bildhauer R. Kuöhl;
    den 4. Preis: Architekt BDA Rud. Matzen mit Bildhauer Oskar Witt.«

  • [3] Den Gefallenen zum Gedenken, Hamburger Abendblatt, 13.10.1958, Seite 5

  • [4] Günter Niemeier: 76er eng mit Hamburg verbunden. „Mookt wi” war der geheime Regimentsname, Hamburger Abendblatt, 22.1.1972, Seite 3
Letztes Upload: 31.08.2023 um 18:11:18 • Impressum und Datenschutzerklärung