London's Underground:
Charles Tyson Yerkes (Exkurs)

Wer war Charles T. Yerkes ?

Theodore Dreiser verarbeitete das Leben des Finanzmannes und Verkehrsmagnaten Yerkes in seiner Romantrilogie The Financier (1912), The Titan (1914) und The Stoic (1947 aus dem Nachlass des Schriftsteller veröffentlicht). Yerkes erscheint dort als Frank Cowperwood. „Der Finanzier” spielt überwiegend in Philadelphia, „Der Titan” in Chicago und „Der Stoiker” in London und New York.

Charles Tyson Yerkes, genannt Samuel Yerkes, wurde als Quäker am 25.Juni 1837 in Philadelphia, Pennsylvanien geboren.

Sein Nachname „Yerkes” wird im amerikanischen Englisch etwa wie „Jurkie” ausgesprochen.

Er war zunächst Angestellter in einer Getreidemaklerfirma. Von 1858–61 war er Börsenmakler, und von 1861–86 war er Bankier.

1871 kam er als Folge des großen Feuers in Chicago in Zahlungsschwierigkeiten und konnte seine Gläubiger nicht bedienen. Er weigerte sich, die Forderungen der Stadt bevorzugt zu bedienen. So wurde er wegen Unterschlagung von städtischem Vermögen zu 2 Jahren 9 Monaten Gefängnis verurteilt. Davon musste er 7 Monate absitzen, dann wurde er begnadigt. Noch besser: Die Stadt Philadelphia verzichtete auf Rückzahlung ihrer Forderungen gegen ihn.

1881 zog Yerkes nach Chicago um. Hier wurde er durch Investitionen in Chicagoer Straßen- und Hochbahnen sehr vermögend. Ebenso hatte er mit Grundstücksgeschäften Geld gemacht: Für ein Butterbrot kaufte er Grundstücke außerhalb der Innenstadt in den zukünftigen Vororten auf. Wenn seine Straßenbahnen dahin führten, konnte er diese Grundstücke mit sehr gutem Gewinn als Bauland verkaufen.

Seine Methoden im Umgang mit den Entscheidungsträgern der Stadtverwaltung waren die seinerzeit gebräuchlichen. Wenn es galt, eine Konzession zu erhalten, wurden Zuwendungen gewährt. Wenn das nicht funktionierte, wurde die Verführungskunst geeigneter professioneller Damen mit ggf. nachfolgender Erpressung eingesetzt. Seinem Ruf tat dies jedoch nicht gut. Außerdem wurde in Chicago seine Vergangenheit aus Philadelphia bekannt.

Um sein Ansehen zu verbessern, erhielt 1892 die Universität von Chicago von ihm 300000 Dollar zum Bau des Yerkes Observatoriums in Williams Bay, Wisconsin. In ihm befindet sich das damals größte Teleskop und heute das immer noch größte Linsenteleskop der Welt mit einem Objektivdurchmesser von 102 cm.

Trotz seiner umfassenden Spenden erreichte er in Chicago seine gesellschaftlichen Ziele nicht. Der gegen ihn gerichteten Anfeindungen überdrüssig verließ er Chicago. Von New York aus kommend traf er 1900 im Alter von 63 Jahren in London ein. Er hatte den Auftrag, Gelder von Investoren und Banken in Stadtbahnvorhaben zu stecken.

Yerkes in London

Yerkes begründete am 9.April 1902 eine Holding für die Verwaltung seiner Stadtbahngruppe, die Underground Electric Railways of London Limited (UERL).

Weitere Erwerbungen:

Ebenfalls von der UERL erworben wurde die United Electric Tramways, eine der größeren Londoner Straßenbahngesellschaften.

1913 erhielt die UERL Kontrolle über die City & South London Railway und die Central London Railway. Die City & South London Railway, also die U-Bahn mit den Padded Cell Cars, hatte einen beträchtlichen Kundenzulauf und musste deshalb ihre Strecke ausbauen. Dazu fehlte ihr das Geld. Sie fand einen Partner in der UERL. Vor Beginn der Ausbauarbeiten begann jedoch der 1. Weltkrieg. Die Londoner mussten sich bis nach Ende des Krieges mit der zu klein gewordenen C&SLR zufrieden geben!

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges waren nur noch folgende Londoner Untergrundbahnen nicht in den Händen der UERL:

Der Schwerpunkt der von Yerkes finanzierten neuen Röhrenbahnen lag nicht in der Londoner City, sondern im West End. Yerkes selbst starb kurz vor Eröffnung seiner Bahnen am 29.12.1905 auf einer Reise in New York. Obwohl er eher kapitalistisch orientiert war, verhandelte er mit den Gewerkschaften über die neuen Arbeitsbedingungen, die sich aus der Elektrifizierung ergaben. Dies ist beachtlich, da die Gewerkschaften damals den Ruch einer Untergrundbewegung hatten. (Zitat aus Bernhard Strowitzki: U-Bahn London, Berlin 1994).

Was blieb von Charles T. Yerkes ?

Charles Tyson Yerkes selbst hat die meisten Erfolge „seiner” UERL nicht mehr erlebt. In seinen letzten Lebensjahren machte sich die Brightsche Krankheit, eine Art der Nierenentzündung, als chronische Erkrankung bemerkbar. Daran starb er am 29.Dezember 1905 auf seiner letzten Reise in New York.

In seiner prächtig ausgestatteten New Yorker Residenz in der 5th Avenue hatte er Gemälde, Gobelins und Teppiche gesammelt. Die Residenz hat etwa 1,5 Millionen Dollar gekostet. Selbstverständlich war das Treppenhaus mit Marmor ausgekleidet, im Gewächshaus befanden sich Vögel, und die Galerie war voller in Europa zusammengetragener Kunstschätze. Bei der Versteigerung im April 1910 wurden daraus über 2 Mio. Dollar erlöst. (Ich habe nicht herausfinden können, wo in der 5th Avenue sich die Residenz befand. Laut dem Roman „Der Titan” von Theodore Dreiser bemühte Cowperwood/Yerkes sich vergeblich um Aufnahme in die Kirchengemeinde St. Thomas. Diese Kirche steht unmittelbar neben dem Museum of Modern Arts. Ein anderer Hinweis in dem Roman deutet auf die Ecke 5th Avenue mit 68th Street hin. Jedoch hatte Yerkes für seine damalige Geliebte nur wenige Straßenblöcke von seiner ersten Villa entfernt eine zweite Villa gebaut).

Seine New Yorker Residenz mit Inventar hatte Yerkes an die Bürger New Yorks vererbt. Da diese allerdings auch die Schulden erbten, hatten sie nichts davon!

Begraben ist Yerkes auf dem Green-Wood Cemetery in New York. Von Manhattan aus gelangt man am einfachsten zu diesem Friedhof, indem man die Fifth Avenue Line der Brooklyn Elevated Railway ab Brooklyn Bridge nimmt: BMT 'R' Train zur 25th Street Station. Dann geht man einen Block in östlicher Richtung nach Green-Wood an der Ecke 5th Avenue mit 25 Street (The Green-Wood Cemetery, 500 – 25th Street, Brooklyn, New York 11232). Man findet die Grabposition, indem man auf der Website www.green-wood.com unter „Burial Inquiry” nach Charles T. Yerkes sucht:
Datum der Beisetzung: 1/1/1906 Lot: 26866, Section: 151

Die finanziellen Transaktionen

Die finanziellen Transaktionen im Zusammenhang mit der UERL liefen wie folgt ab:
  1. Yerkes brachte 1 Mio. £ auf.

  2. Weitere 1 Mio. £ brachte er mit Hilfe des Bankiers Sir Edgar Speyer auf. Das Geld stammte überwiegend von europäischen und US-amerikanischen Investoren. Die Londoner Finanzkreise handelten weise und beteiligten sich nicht.

  3. 1903 wurde versucht, weitere Aktien herauszugeben. Die Anleger bissen nicht an. Yerkes gab deshalb Anleihen und Genussscheine für 10,225 Mio. £ aus. Die Genussscheine sollten 1908 zurückgezahlt werden.

  4. Die Gewinne traten nicht in der geplanten Höhe ein. Die Genussscheine sanken auf 35% ihres Nennwertes. Sir Edgars Bank musste 175000 £ Zinsen aus ihrem eigenen Kapital zahlen, um den Bankrott der UERL zu vermeiden. Vergeblich versuchte er, die Betriebe der UERL an die Stadt London zu verkaufen.

  5. In letzter Minute vor dem Zusammenbruch vereinbarte der eingesetzte Liquidator mit den aufgebrachten Aktionären, die mittlerweile wertlosen Anteilscheine in Obligationen umzuwandeln — Zahlungsziel 1933. So wurde der Bankrott gerade eben noch verhindert.

Baron Ashfield of Southwell

Die amerikanischen Geldgeber machten sich nach dem Ableben von Yerkes berechtigte Sorgen um ihr Geld und schickten Albert Henry Stanley (*1874; †1948) nach London. Er wurde im Februar 1907 neuer Generaldirektor der UERL. 1914 wurde er als Sir Albert geadelt, 1920 wurde er zum Baron Ashfield of Southwell ernannt.

Quellen und Literatur

Quellen: diverse Web-Lexika, die Romane „Der Finanzier”, „Der Titan” und „Der Stoiker”.
außerdem
  • easyweb.easynet.co.uk/~gsgleaves/london.htm (Abruf 2009. Die Seite unter der angegebenen Adresse nicht mehr erreichbar)
  • www.chicago-l.org/personnel/figures/yerkes/index.html. Diese Seite beinhaltet (Stand Mitte Juli 2021) neben zwei Personenaufnahmen ein Foto seines Grabes.
  • astro.uchicago.edu/yerkes/, University of Chicago, Yerkes Observatory (Abruf 2009. Die Seite unter der angegebenen Adresse ist nicht mehr erreichbar)
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