Elektrische Kleinbahn Altrahlstedt–Volksdorf–Wohldorf (EKV):
Geschichte

Die Elektrische Kleinbahn Altrahlstedt-Volksdorf-Wohldorf (EKV) gibt es schon lange nicht mehr. Es war es eine straßenbahnartige Kleinbahn mit zusätzlichem Güterverkehr. ihre Strecke war nicht ganz 13 km lang.

Altrahlstedt und Neurahlstedt:

Altrahlstedt wurde 1248 erstmals urkundlich genannt. Die dortige Kirche war jedoch schon früher errichtet worden. Bereits 1865 erhielt Altrahlstedt dank der neuen Eisenbahnstrecke Hamburg-Lübeck Anschluss an die große weite Welt. Die Folge war, dass aus dem Bauerndorf ein Hamburger Villenvorort wurde.

Neurahlstedt wurde 1288 erstmals urkundlich genannt. Nach dem Bau der Chaussee Hamburg–Bad Oldesloe–Lübeck (1843) verlor die alte Landstraße Hamburg–Braak–Siek–Lübeck und somit auch Neurahlstedt an Bedeutung.


Die Kleinbahn:

Die Bewohner der Walddörfer sahen sich zum Ende des 19. Jahrhunderts vom Rest der Welt abgeschnitten. Sie wollten zumindest eine Straßenbahnlinie nach Hamburg bekommen. Vor 1898 fragten sie die „Straßen-Eisenbahn-Gesellschaft” (SEG), aber die teilte im Januar 1898 mit, dass sie nicht beabsichtigt, eine Bahn nach Volksdorf zu bauen.[104, Seite 5]
Zu den Planungen der SEG aus dem Protokollbuch der Gemeinde Duvenstedt[153, Seite 40]
»Bereits in den Jahren ab 1897 war es um die "Erbauung einer elektrischen Bahn von Hamburg über Barmbek nach Wohldorf-Ohlstedt mit Abzweigungen in Sasel nach Poppenbüttel und Volksdorf" gegangen. Der „Gemeinderat” hatte damals zwar hervorgehoben, „daß das Projekt sehr erwünscht sei und der Gemeinde Duvenstedt auch zum großen Nutzen gereichen werde”, er hatte sich aber außerstande gesehen, 5 Jahre lang 2000,- Mark zu zahlen, um ein „gewisses Quantum Milch nach Hamburg zu versenden”, weil die Hufner und Eigentümer „schon ausnahmsweise hoch mit Abgaben belastet” sind und „die Vertreter der I. Classe, also die größeren Grundbesitzer, nicht zur Beschlußfassung erschienen sind”. «

So kam man auf die abgespeckte Idee, eine Zweigbahn zwischen dem näher gelegenen Dorf Altrahlstedt und Volksdorf ins Auge zu fassen. Im Oktober 1898 wurden die Konzessionsanträge an Preußen und Hamburg gestellt. Die Konzession vom Hamburger Senat wurde der Firma Gebrüder Körting bereits am 7.Juni 1899 erteilt. Aber erst am 10.Januar 1903 erlangte die Firma Gebrüder Körting die Konzession von der Preußischen Verwaltung. Diese berechtigte sie, vom Bahnhof Altrahlstedt der Lübeck-Büchener Eisenbahn (LBE) eine Bahn in die Hamburger Walddörfer zu bauen. Die in Körtingsdorf bei Hannover (jetzt Hannover-Badenstedt) beheimatete Firma Gebr. Körting versorgte seit 1898 das damals preußische Rahlstedt mit Elektrizität.

In Hamburg liefen die Mühlen der Verwaltung erfolgreich weiter, so dass am 21.Oktober 1903 der endgültige Konzessionsvertrag unterzeichnet werden konnte.

Hamburg überließ der Bahn den erforderlichen Staatsgrund unentgeltlich. Die Fahrgeschwindigkeit wurde mit 18 km/h festgelegt. Sofern die Trasse auf eigenem Bahnkörper lag, sollten 20 bis 25 km/h nicht überschritten werden.

Vertraglich festgelegt war die Inbetriebnahme der Bahnstrecke für den 1.4.1904, aber es dauerte doch ein wenig länger.

Der feierliche erste Spatenstich erfolgte am 30.November 1903 in Volksdorf. Bis Mitte März 1904 wurde die Trasse durch den Volksdorfer Wald freigelegt. Es wurden zwei elektrische straßenbahnartige Triebwagen bei der Waggonfabrik Busch in Hamburg Eimsbüttel bestellt. Am 29. September 1904 wurde der Betrieb von Altrahlstedt bis Volksdorf aufgenommen.

Benutzt wurden hierfür die beiden mit Lyrabügel ausgestatteten elektrischen Triebwagen. Anfangs fanden 13 Fahrten täglich statt. Die Fahrdauer auf der 6 km langen Strecke betrug 18 Minuten. Die Fahrt kostete damals 20 Pfennige. Die Bahn hatte Zuspruch und beschaffte zum Frühjahr 1906 einen weiteren Triebwagen, sechs Doppelstockbeiwagen und einen Post- und Gepäckwagen (Wagen 30, abgewrackt 1934). Bis August 1906 kamen eine Lokomotive und zwei weitere Doppelstockbeiwagen hinzu.

Zu Himmelfahrt am 9.Mai 1907 wurde die gesamte Strecke bis Wohldorf eröffnet.

Am 14.Dezember 1912 gab sich die Bahn den Namen „Elektrische Kleinbahn Alt-Rahlstedt-Volksdorf AG” und eine neue Rechtsform. 770000 Mark an Stammaktien hielt der hamburgische Staat, 770000 Mark an Vorzugsaktien hielt der Kommerzienrat Körting. (Kommerzienrat ist ein in Deutschland bis 1919 an Finanzmänner, Großkaufleute und Industrielle verliehener Titel).

In Rahlstedt war eine Gleisverbindung mit der LBE für den Güterverkehr vorhanden.

1914, in ihrer besten Zeit, besaß die EKV 6 Triebwagen und 10 Beiwagen für den Personenverkehr. Für den Güterverkehr gab es 4 kleine E-Loks, die auch für den Personenverkehr genutzt werden konnten. Über die Güterwagen habe ich, abgesehen von dem einzigen Post- und Gepäckwagen 30, widersprechende Angaben gefunden: „wohl 3 Güterwagen” oder ein einziger Güterwagen mit der Wagennummer 36: „Ein gedeckter Güterwagen, erworben 1923, außer Betrieb 1938”.

Nach Eröffnung des elektrischen Betriebs der Walddörferbahn auf der Stecke Barmbeck–Volksdorf am 6.September 1920 brachen die Fahrgastzahlen der Kleinbahn ein. Deshalb wurde am 15.April 1923 der Personenverkehr der Kleinbahn auf der Strecke Altrahlstedt-Volksdorf aufgegeben. Am 1.Juli 1924 übernahm die HHA die Betriebsführung auf der Kleinbahnstrecke zwischen Volksdorf und Wohldorf. Mit Eröffnung des westlichen Zweiges der Walddörferbahn Volksdorf–Ohlstedt am 1.Februar 1925 wurde der Betrieb der Kleinbahn im Wesentlichen auf die Reststrecke Ohlstedt–Wohldorf beschränkt.

Die Kleinbahn und die Finanzdeputation schlossen am 12.1.1921 einen Vertrag über den Betrieb der Kleinbahnstrecke Volksdorf–Wohldorf und der von Volksdorf bis beinahe Farmsen parallel zu den Gleisen der Hochbahn verlaufende Güterbahnstrecke: Der Personenverkehr einschließlich Reisegepäck, Post und Expressgut sollte auf Rechnung des Hamburger Staates von der Kleinbahn durchgeführt werden. Den Betrieb auf der Güterbahnstrecke sollte die Kleinbahn nach wie vor auf eigenen Rechnung durchführen.[104, Seite 28]

Am 1.5.1934 wurde dieser Güterverkehr eingestellt.

Danach, ebenfalls 1934, wurden alle Strecken der Kleinbahn südlich von Ohlstedt abgebrochen. Bis zum 29.1.1961 fuhr die Kleinbahn nur noch auf der knapp 2 km langen Reststrecke von Ohlstedt durch den Wohldorfer Wald nach Wohldorf. Obwohl es sich eher um eine Straßenbahn handelte, betrachtete die Hamburger Hochbahn diese Strecke als Verlängerung der U-Bahn. Erst mit dem Sommerfahrplan 1953 wurde diese Strecke als Straßenbahn ausgewiesen. Am 29.1.1961 wurde auch die Reststrecke offiziell eingestellt.

Ein Verein bewarb sich, um die Strecke als Museumsbahn zu betreiben. Daraus wurde aber nichts. Nach Entfernen der Schienen und fast aller Bahneinrichtungen (1964) hatte man einen neuen Wanderweg durch den Wohldorfer Wald geschaffen. Einige Emailschilder am Weg informieren heute den Wanderer, dass hier einst die Kleinbahn fuhr.


Übersicht Personenverkehr der EKV
Strecke Altrahlstedt–Wohldorf: 12,963 km, 22 Haltestellen
Planmäßiger Personenverkehr
  • Altrahlstedt–Volksdorf: 1.10.1904 bis 8.6.1907
  • Altrahlstedt–Wohldorf: 9.5.1907 bis 15.4.1923
  • Volksdorf–Wohldorf: 16.4.1923 bis 31.1.1925. Der Personenverkehr auf der Kleinbahnstrecke Volksdorf–Wohldorf wurde ab dem 1. Juli 1924 von der HHA übernommen.
  • Sonntägliche Entlastungszüge für den Ausflugsverkehr zwischen Volksdorf und Wohldorf fuhren noch bis 1931
  • Ohlstedt–Wohldorf: 1.2.1925 bis 29.1.1961
Eine letzte Sonderfahrt fand am 3.2.1961 mit Triebwagen 5 statt.

Geschichte der EKV und was danach kam in Stichworten
Die wichtigsten Geschichtsdaten dieser Bahn sind in der Zeittafel: Personennahverkehr in Hamburg ab dem Jahr 1904 zu finden. Dort sind sie durch dies Symbol gekennzeichnet.

Grundlage für die Tabelle bis 1972: [104, Seiten 40,41,42,46]

10.01.1903Preußische Konzession wird erteilt
21.10.1903Hamburgische Konzession zum Bau und Betrieb der Strecke Altrahlstedt–Volksdorf wird erteilt.
30.11.1903Erster Spatenstich in Volksdorf
29.09.1904Strecke Altrahlstedt–Volksdorf fertig gestellt. Behördliche Abnahmebesichtigung
01.10.1904Eröffnung für den Personenverkehr
22.10./7.11.1906Hamburgische Konzession für die Gesamtstrecke
30.10.1906Preußische Konzession für die Gesamtstrecke
29.04.1907Erste betriebliche Abnahme der Strecke Volksdorf–Wohldorf
08.05.1906Zweite betriebliche Abnahme der Strecke Volksdorf–Wohldorf
09.05.1907Eröffnung für den Personenverkehr
14.12.1912Umwandlung des Unternehmens in die „Elektrische Kleinbahn Altrahlstedt–Volksdorf A.G.”
vor 11.1917Triebwagen 1 und 2 nach Unna (Westf.) verkauft
12.09.1918Dampfbetrieb Barmbeck–Ohlstedt durch die HHA für den Hamburger Staat (eingleisig, 3 Lokomotiven, 20 Wagen)
nach 3.1919Wagen 58 und 59 aus dem Verkehr genommen (nach Karlsruhe ?)
27.07.1919Dampfbetrieb Barmbeck–Ohlstedt eingestellt
06.09.1920Eröffnung des elektrischen Betriebes auf der Walddörferbahnstrecke Barmbeck–Volksdorf durch die HHA für den Hamburger Staat (eingleisig)
12.01.1921Personenverkehr Volksdorf–Wohldorf auf Kosten des Hamburger Staates; Güterverkehr Altrahlstedt–Wohldorf auf Kosten der Kleinbahngesellschaft
05.11.1921Walddörferbahnstrecke Volksdorf–Großhansdorf eröffnet
15.04.1923Personenverkehr Altrahlstedt–Volksdorf eingestellt
20.05.1923Walddörferbahn Barmbeck–Volksdorf zweigleisig
24.10.1923Kurzzeitiger behelfsmäßiger Betrieb Altrahlstedt–Volksdorf wegen Stilllegung der Walddörferbahn (Hamburger Aufstand)
192460–70 Beschäftigte bei der Kleinbahngesellschaft
01.07.1924Übernahme des Verkehrs Volksdorf–Wohldorf durch die HHA
01.02.1925Personenverkehr Volksdorf–Ohlstedt größtenteils eingestellt
01.02.1925Eröffnung der Walddörferbahn auf der Strecke Volksdorf–Ohlstedt
28.07.1931Besondere Zusicherung über die Aufrechterhaltung des Verkehrs Ohlstedt–Wohldorf (preußischerseits bei den Wulfsdorfer Verhandlungen)
09.12.193319 Beschäftigte bei der Kleinbahngesellschaft
26.04.1934Sonderfahrt auf der gesamten Kleinbahnstrecke auf Veranlassung des Museums für Hamburgische Geschichte
01.05.1934Güterverkehr Altrahlstedt–Wohldorf eingestellt
ab 11.1934Triebwagen 5, Postwagen 30, sowie Beiwagen 51, 52,53, 54, 55 und 57 abgewrackt; Triebwagen 3 wird Triebwagen 5; Beiwagen 56 wird Beiwagen 51
30.11.1934Strecke Ohlstedt/Sthamerstraße bis Bergstedter Weg bereits abgebrochen
02.1935Abbruch der übrigen Anlage (Ohlstedt/Sthamerstraße bis Altrahlstedt)
28.04.1947Inbetriebnahme Triebwagen 7
05.1947Abbruch der Ausweiche Tannenallee. Seitdem nur Haltepunkt.
10.1950Inbetriebnahme Triebwagen K1 und K2
11.1950Triebwagen 4 und 6 abgewrackt
06.05.1953Triebwagen 7 wird Triebwagen K3
10.1953Abbruch Ohlstedt/Sthamerstraße–Ohlstedt
30.12.1957Beiwagen 50 abgewrackt
15.01.1958Beiwagen 51 wird wieder Beiwagen 56
31.03.1958Abbruch der Ausweiche in Wohldorf
30.11.1958Gründung des Kleinbahn-Vereins Wohldorf (seit 9.1.1959 e.V.)
29.09.1959Zur Erinnerung an die vor 55 Jahren erfolgte Fertigstellung der ersten Kleinbahnteilstrecke: Letzte Fahrt des Beiwagens 56 mit Triebwagen 5
30.09.1959Beiwagen 56 auf 15 m Gleisstück in Wohldorf, Alsterblick 9, aufgestellt
29.01.1961Betrieb eingestellt um 1:44 Uhr
03.02.1961Letzte Sonderfahrt (Triebwagen 5 ab 13:30 Uhr)
04.05.1965Beginn des Abbruchs der Fahrleitung
ab 10.05.1965Abbruch der Strecke
24.06.1965Triebwagen K1 abtransportiert zum Betriebshof Krohnskamp
01.07.1965Gerätewagen 37 abtransportiert zum Betriebshof Krohnskamp
02.07.1965Triebwagen 5 abtransportiert zum Betriebshof Krohnskamp
13./14.07.1965Wartehäuschen Tannenallee abgebrochen
14./20.07.1965Wartehäuschen Wohldorf abgebrochen
1965Triebwagen K2 und K3 abgewrackt.
Bis 1965 stand der ehemalige Lokschuppen der Kleinbahn in Volksdorf. Er wurde bis dahin als Markthalle genutzt.[http://www.treffpunkt-volksdorf.de/index.php/hier-heute/anschauen-lohnt/wochenmarkt, abgerufen am 14.7.2015]
09.1968Abriss der Wagenhalle in Wohldorf
17./19.11.1972Beiwagen 56 zieht zum VVM in den Lokschuppen Aumühle um
1977Die HHA gibt den Betriebshof Krohnskamp auf. Die dort seit 1965 abgestellten Kleinbahnfahrzeuge gehen zum Verein Verkehrsamateure und Museumsbahn e.V. (VVM) nach Schönfeld bei Kiel.
1981Der Triebwagen K1 kommt wieder nach Hamburg zurück. Dort wird er provisorisch für die Ausstellung „Arbeitswelten” wieder zum Hamburger Straßenbahnwagen 3029 rückgebaut. Nach Ende der Ausstellung kommt der Wagen wieder zurück nach Schönberg, danach in die Fahrzeugwerkstätten Falkenried, danach in eine Scheune bei Tangstedt.
Mitte 1986Der Triebwagen 5 wird zur 725-Jahrfeier des Stadtteils Duvenstedt Mitte 1986 wieder in die Walddörfer gebracht. Er bleibt danach in Volksdorf, da sich eine Gruppe bildete, die den Wagen renovieren und ausstellen möchte. So geschieht es. Der Triebwagen und Gerätewagen 37 Wagen standen seitdem in der Straße Kattjahren 18 in Volksdorf neben einem Ladengeschäft. Siehe 4.4.2009.
Anfang 1997Der Triebwagen K1 wird vor dem ehemaligen Bahnhof der Kleinbahn in Wohldorf abgestellt.
18.09.1999Eröffnung „Kleinbahnmuseum Wohldorf” im ehemaligen Bahnhofsgebäude der Kleinbahn in Wohldorf.
4.4.2009Seit dem 4.4.2009 befindet sich der Triebwagen 5 in der Obhut des Vereins Verkehrsamateure und Museumsbahn e.V. (VVM). Er wurde zusammen mit den Überresten des Gerätewagens 37 nach Aumühle verbracht. Dort soll er zusammen mit sich ebenfalls in Aumühle befindlichen Doppelstockbeiwagen einen historischen Zug der Kleinbahn bilden.
Mitte 2010Der Kleinbahnverein Wohldorf e.V. wird aufgelöst. Seine Mitglieder und das Kleinbahnmuseum Wohldorf werden rückwirkend zum 1.1.2010 vom VVM e.V. übernommen. Das Kleinbahnmuseum wird vom VVM mit leicht geänderter Ausrichtung als „Nahverkehrsmuseum Kleinbahnhof Wohldorf” weiter betrieben.
Letztes Upload: 22.03.2023 um 05:09:18 • Impressum und Datenschutzerklärung