Das Vorbild anderer Städte tat ein Übriges: 1890 wurde in London mit der City & South London Railway die erste elektrische U-Bahn Europas eröffnet (U-Bahnen mit Dampfbetrieb gab es schon lange). 1893 zog die Liverpool Overhead Railway als Hochbahn mit einer 11,5 km langen Strecke am Hafen und der im Tunnel gelegenen südlichen Endstation Dingle nach. 1896 folgte in Budapest die erste elektrische U-Bahn auf dem europäischen Festland. Ebenfalls 1896 wurde eine von Kabeln gezogenen U-Bahn in Glasgow in Betrieb genommen.
Für den Bau der ersten deutschen U-Bahn von der Warschauer Brücke zum Zoologischen Garten in Berlin mit einer Abzweigung zum Potsdamer Platz wurden ganze Straßenzüge abgerissen, 25 Millionen Goldmark wurden finanziert. Der größte Teil der Strecke wurde als Hochbahn gebaut, nur der Teilabschnitt vom Nollendorfplatz bis Zoo wurde unters Pflaster gelegt, nicht zuletzt „behufs Vermeidung einer Beeinträchtigung des Anblicks der Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche”.
Die offizielle Eröffnungsfahrt der Hamburger Hochbahn fand auf den Tag genau 10 Jahre nach der offiziellen Eröffnungsfahrt der ersten Berliner U-Bahnlinie statt.
Bereits vor der Ministerfahrt erfolgte in Berlin eine Probefahrt mit geladenen Gästen am 26.Januar 1902. Am Samstag den 15.Februar 1902 um 11:00 war es dann wirklich soweit. Die Ministerfahrt begann im Bahnhof Potsdamer Platz und gestaltete sich folgendermaßen:
Der erste Zug fuhr ab, 10 Minuten später folgte ein zweiter Zug. Die Fahrt ging über die westliche Stammstrecke zum Zoologischen Garten, dann zurück über das Gleisdreieck zur Warschauer Brücke. Dabei wurde auf der Oberbaumbrücke Halt gemacht, und die Fahrgäste konnten den tollen Ausblick auf die Stadt genießen. Anschließend ging es zurück zum Gleisdreieck. Es wurden einige Reden gehalten und Orden verliehen. Dann fuhr man mit der U-Bahn zum Potsdamer Platz zurück.
Am Dienstag, dem 18.Februar 1902, war Betriebsbeginn der ersten U-Bahn Deutschlands auf der Gesamtstrecke Stralauer Tor (später Osthafen), Schlesisches Tor, Oranienstraße, Kottbusser Tor, Prinzenstraße, Hallesches Tor, Möckernbrücke, Potsdamer Platz!
Der Kaiser schickte zur Eröffnungsfahrt der Berliner U-Bahn lediglich seine Minister. Eine Anekdote besagt, dass er bei seinem ersten Betreten eines U-Bahnwagens (im Jahre 1908) mit der Pickelhaube gegen den Türrahmen stieß, und dass dabei die Pickelhaube vom Kopf gerissen wurde — ganz schön schneidig! Er hätte sich besser Franz Josef I als Beispiel nehmen sollen. Franz Josef I hatte bei der Budapester U-Bahn einen geeigneten Salonwagen!
Wohl wegen des Problems mit der Pickelhaube und weil kein kaiserlicher Salonwagen vorgesehen war, war Kaiser Wilhelm II bei der Eröffnungsfahrt der Hamburger U-Bahn (genau 10 Jahre nach dem 15.Februar 1902) auch nicht mit dabei.
Die Geschwindigkeit der Berliner U-Bahn war auf 50 Kilometer pro Stunde begrenzt. Gleichzeitig verlangte die Stadt einen Fünf-Minuten-Betrieb in beiden Fahrtrichtungen. Somit war die U-Bahn konkurrenzlos schnell. Rasch wurde die Ost- West-Verbindung durch weitere Strecken nach Nordosten, Westen und Südwesten ergänzt.
![]() | Modell eines U-Bahn Wagens von 1928 im Deutschen Technikmuseum Berlin
Empfehlenswerter Link: →Berliner U-Bahn Museum |
![]() Die Oberbaumbrücke in Berlin |
Der Anschluss an die Stadtbahnstation Warschauer Brücke erforderte eine Querung der Spree. Die dort bereits vorhandenen Oberbaumbrücke war nicht geeignet, eine Eisenbahn zu tragen. Zwischen der Firma Siemens & Halske und der Stadt Berlin wurde ein Vertrag geschlossen: Die zu schaffende U-Bahn sollte über eine neu zu errichtende Oberbaumbrücke führen. Außerdem sollte auch der Straßen- und Fußgängerverkehr die neue Brücke nutzen.
Von 1894 bis 1897 entstand über 7 Klinkergewölben eine 160 m lange Brücke mit der beachtlichen Breite von über 27 m nach Plänen des Regierungsbaumeisters Otto Stahn (*1859; †1930).
![]() Die beiden Wehrtürme der Oberbaumbrücke in Berlin |
Auf die Brücke setzte man seitlich neben der Fahrstraße ein gemauertes Viadukt mit Zinnen. Oben auf dem Viadukt fährt die U-Bahn, unter dem Viadukt ist ein 5 m breiter Fußweg eingerichet.
![]() | Der Fußweg ist wie ein Kreuzgewölbegang gestaltet. Auch seine Decke ist entsprechend geschmückt.
Selbstverständlich wurden keine normalen Ziegel verwendet. Die Ziegel der Oberbaumbrücke wurden im mittelalterlichen Format gebrannt! |
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![]() | Drachen beschützen die Oberbaumbrücke. Dies Mosaikmotiv ist im Kreuzgang zweimal vorhanden. Das zweite Exemplar ist mit dem Wort „Oberbaumbrücke” beschriftet. |
Die Oberbaumbrücke und der Bahnhof Warschauer Brücke (jetziger Name Warschauer Straße) wurden 1995 restauriert. Die Oberbaumbrücke ist noch immer eine der markantesten Brücken in Berlin!