Ohlsdorfer Friedhof • Krematorium und Nebenallee:
Das KZ-Opfer Ehrenmal gegenüber dem neuen Krematorium

Urnengrabstätten beim Bestattungsforum Das Familiengrab Faulwasser
Ohlsdorfer Friedhof, Turm der Aschenurnen: Das KZ-Opfer Ehrenmal am 11.10.2002
Zwei hohe Spitz-Ahornbäume (Acer platanoides) flankieren das Ehrenmal .[216, Seite 173]

Einer der beiden Bäume zeigt die ersten roten Blättern — dem Herbst sei Dank!

Ohlsdorfer Friedhof, KZ-Opfer Ehrenmal

Unmittelbar dem neuen Krematorium gegenüber steht das auffällige Mahnmal für die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung (KZ-Opfer Ehrenmal). Hinter diesem Mahnmal beginnt die Nebenallee, ein breiter Fußweg in Ost-West-Richtung.

Das Mahnmal wurde 1949 eingeweiht. Der Architekt war Heinz Jürgen Ruscheweyh.

Das 16 Meter hohe Mahnmal aus Stahlbeton trägt in fünfzehn vergitterten Etagen je 7 Urnen aus rotem Granit mit Aschenresten und Erde aus 105 Konzentrationslagern und Haftanstalten. Jede Urne symbolisiert somit eines der nationalsozialistischen Vernichtungslager. Weitere 29 Urnen aus 26 Lagern wurden in einer Gruft vor dem Denkmal beigesetzt.

Der Sockel des Mahnmals trägt auf der Vorderseite die Inschrift:

UNRECHT BRACHTE UNS DEN TOD
LEBENDE EKENNT EUERE PFLICHT
Auf der Rückseite steht die Fortsetzung:
GEDENKT UNSRER NOT BEDENKT UNSERN TOD
DEN MENSCHEN SEI BRUDER DER MENSCH

Als dies Mahnmal ausgeschrieben wurde, war meine Mutter mit einem in Ohlsdorf ansässigen Steinmetz befreundet. Sie erzählte mir Folgendes: Die Ausschreibung für dies Mahnmal hatte ausgerechnet ein Steinmetzbetrieb gewonnen, dessen Inhaber ein Nationalsozialist gewesen sei. Die anderen Steinmetze waren empört. Sie taten sich zusammen und erreichten, dass der Auftrag auf verschiedene Betriebe aufgeteilt wurde.

Ausgesprochen peinlich war, dass dies Denkmal zweimal eingeweiht wurde. Vor der Einweihung des Denkmals kam es zu einem offenen Streit zwischen dem Hamburger Senat und dem VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes), so dass die Stadt am 3.5.1949 eine Einweihungsfeier durchführte und der VVN eine zweite am 8.5.1949. Wer es genauer wissen möchte, möge diesem Link folgen:
(auf) www.nadir.org

Ich würde mir eine Erklärungstafel an diesem Mahnmal wünschen. So, wie es dort ganz ohne Interpretationshilfe neben dem Krematorium steht, ist dies Mahnmal und auch der Text auf seinem Sockel für Nichteingeweihte kaum verständlich.

Man hatte ursprünglich ein anderes Denkmal für die KZ-Opfer aufstellen wollen, und zwar eine Urne mit der Asche eines unbekannten ermordeten KZ-Häftlings in oder vor dem Hamburger Rathaus. Man kam von diesem Plan ab, denn ein solches Denkmal an einer derart markanten Stelle im Herzen der Hamburger Innenstadt und ständig den Politikern im Auge hätte die kollektive Amnesie des Wiederaufbaupragmatismus gestört (Zitat vermutlich von Harold Marcuse). Im gleichen Sinne ist die Inschrift bewusst verallgemeinernd und eher zukunftsgerichtet auf Gedenken und Konsens gerichtet. Die Inschrift wurde von Ruscheweyhs Onkel Herbert Ruscheweyh (*1892; †1965) verfasst. Herbert Ruscheweyh war von 1931 bis 1933 und nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1946 Präsident der Hamburgischen Bürgerschaft. Von 1948 bis 1960 war er einer der beiden Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichtes. Herbert Ruscheweyh selbst musste eine mehrwöchige Haft im KZ Fuhlsbüttel durchmachen. Er wurde — wie andere Kommunisten und Sozialdemokraten — nach dem 20.Juli 1944 verhaftet.

Ursprünglich befand sich keine große Rasenfläche vor dem Mahnmal, sondern ein Natursteinplattenbelag. Er gab der gesamten Anlage ein anderes Aussehen. 1961 oder 1963 (widersprüchliche Angaben) wurde der Natursteinbelag durch Rasen ersetzt. Dem Schöpfer der Mahnmals, Heinz Jürgen Ruscheweyh, passte diese Änderung der Umgebung seines Mahnmals gar nicht. Er versuchte vergebens, die ursprüngliche gestalterische Aussage wieder herstellen zu lassen.

Literaturhinweis zur Auseinandersetzung um die Rasenfläche:
ARCHITEKTUR UND STÄDTEBAU DER 1950ER JAHRE IN HAMBURG, Dissertation zur Erlangung der Würde des Doktors der Philosophie der Universität Hamburg, vorgelegt von Peter Krieger aus Wuppertal, Hamburg, September 1995, Seiten 244ff, im Internet abrufbar unter:
(auf) webdoc.sub.gwd.de (Stand Juli 2021)

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