Ohlsdorfer Friedhof • Krematorium und Nebenallee:
Die Grabanlage der Familien Canel, Hanssen, Laeisz und Meerwein

Das Denkmal für die Schiffsoffiziere der Deutschen Handelsmarine Die Grabwand Pape
Um diese gut versteckte Grabanlage zu finden, geht man vom Denkmal für verstorbene Schiffsoffiziere der Handelsmarine zur Nebenallee zurück. Dann folgt man der Nebenallee für etwa 5 m Richtung Osten (also fort vom Krematorium) und folgt einem engen Fußpfad nach links in die Rhododendren. 1888 erwarben die Familien Laeisz, Canel, Hanssen und Meerwein diese Anlage. Diese etwa 10 mal 20 m große Anlage wird als „Friedhof im Friedhof” bezeichnet. Sie liegt nur 5 m neben der Nebenallee, ist aber wegen der dichten Rhododendren von dieser aus kaum zu sehen — eine fast perfekte Tarnung.
Rechts das Familiengrab Hanssen. Im Hintergrund der Engel auf dem Familiengrab Laeisz.
Es ist eine imponierende Gesamtanlage dieser vier befreundeten Familien, bestehend aus einem Rechteck mit einem Familiengrab an jeder Seite. Die Fotos vermögen nur einen schalen Eindruck wiederzugeben.

Gleich links neben dem Zugangspfad befindet sich an der Schmalseite das Familiengrab Meerwein. Der Familienname ist im Wappen auf dem Grabmal dargestellt: Eine Meerjungfrau hält eine Weintraube.

Gegenüber dem Familiengrab Meerwein befindet sich an der entgegengesetzten Schmalseite die Familiengrabanlage Laeisz. Markiert wird sie durch einen auffliegenden Engel. Er hält in einer Hand einen Palmenwedel. Mit der anderen Hand verhüllt er gerade sein Gesicht.

Das Familiengrab Friedr. Heinr. Ramon Canel

An den beiden Längsseiten stehen sich die großen Familiengrabstätten Canel und Hanssen gegenüber.

Familiengrab Canel, linker Putto, Stein beschriftet mit „Richard R. Canel”. Über das Schiffsmodell auf dem Stein hängt ein Kranz. Der Putto hält eine Sanduhr in seiner rechten Hand.
Familiengrab Canel, rechter Putto, Stein beschriftet mit „Ramon Canel”. Der Putto stützt einen auf dem Stein stehenden Anker.
Mittelteil des Familiengrabes C.P.L. Hanssen
Familiengrab Hanssen, linker Putto
Foto oberhalb: Familiengrab A.F.C. Hanssen, linker Putto mit Kontorbuch und Hermesstab am 10.3.2017.
Hanssen & Studt war im Kaffeehandel tätig. Der Eintrag im Adressbuch Hamburg von 1847 lautet: Hanssen & Studt, Kaufl. B. Cto. C. P. L. Hanssen & H. Studt, Rödingsmarkt no 36, O.-S. Hanssen & Studt investierten in einen eigenen Kaffeespeicher an der Straße St. Annenufer in der Speicherstadt. Das Gebäude wurde im zweiten Bauabschnitt der Speicherstadt errichtet. Der zweite Bauabschnitt wird auf 1891 bis 1896 datiert. Für die Bearbeitung des Rohkaffees war ein eigenes Kraftwerk vorhanden. Für das Kraftwerk war ein eigener Schornstein vorhanden!

Drei der diesbezüglichen Einträge im Hamburger Adressbuch von 1908 lauten (hier verkürzt dargestellt):


Familiengrab Laeisz Foto: Der auffliegende Engel auf dem Familiengrab Laeisz gilt als die erste auf dem Ohlsdorfer Friedhof aufgestellte gegossene Buntmetallpastik.[206,Seite 30]

Bildhauer: Otto Geyer (*1843; †1914), gegossen von der Gießerei H. Gladenbeck und Sohn in Berlin-Friedenau. Der Engel wurde 1886 gefertigt.

Das Foto wurde am 21.12.2002 gefertigt.


Familie Canel und Familie Hanssen

Die beiden Familiengrabstätten — Canel und Hanssen — an den beiden Längsseiten des Rechtecks sehen einander ähnlich, da hier roter Sandstein als Material verwendet wurde und die Statuen beider Gräber aufeinander abgestimmt sind. Die je zwei lebensgroßen Putti an den Seiten der Grabmale sagen etwas über die Berufe aus. Bei der Familie Canel deuten sie auf Schifffahrt hin (Friedrich Heinrich Ramon Canel war Reeder), bei Familie Hanssen auf Handel und Architektur. Dazu schreibt Frau Christine Behrens in dem Artikel „Ohlsdorfer Engel”:
»Diese vier jugendlichen Genien sind allerdings als Thanatos-Motive nach der griechischen Mythologie zu interpretieren — hier als Mittler zwischen Wirken und Leben der Grabbesitzer einerseits (Architekt mit Zeichenbrett, Winkel und Planzeichnung; Kaufmann mit Hermes-Stab; Reeder mit Boot und Anker) und Endpunkt dieses Lebens anderseits (mit auf den Tod hinweisenden Symbolen wie gesenkter, erlöschter Fackel, Blumenkranz oder Stundenglas).[236, Ausgabe Nr. 100/101, I+II, 2008 – März 2008]«

Die insgesamt vier Putti bzw. Genien hat Aloys Denoth geschaffen. Sie werden auf 1892/1893 datiert.


Die beherrschende Plastik der gesamten Anlage dürfte der von Bruno Kruse geschaffene Engel mit dem Kind am Familiengrab Hanssen sein.


Familie Laeisz

Die Familie Laeisz ist eine in Hamburg bekannte Reederfamilie. Der Buchbinder und angelernte Hutmacher Ferdinand Laeisz (1801–1887) begründete 1824 die Seeversicherungsfirma F. Laeisz. Das Hutmachergeschäft war anfänglich nicht sehr erfolgreich. Dies änderte sich, nachdem Ferdinand Laeisz einem Kapitän eine Partie seiner Zylinderhüte nach Buenos Aires mitgegeben hatte. Die Nachfrage nach den Hüten stieg sehr stark an. Die Hüte wurden in Naturalien bezahlt. Zum Transport der Hüte und der Naturalien waren Schiffe erforderlich. Das Transportgeschäft wollte sich Ferdinand Laeisz nicht entgehen lassen, er wollte einen möglichst großen Anteil an der Wertschöpfungskette. Es wurden eigene Schiffe gebaut und bereedert.

Ferdinand Laeisz war 1847 an der Gründung Reederei HAPAG beteiligt. Er war es, der 1861 den Hamburgischen Rettungsverein gründete. Der Verein ging 1865 in die heute noch aktive Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger über.

Die Reederei war besonders durch ihre P-Großsegler, die „Flying P-Liner” bzw. „Windjammer” bekannt. Allerdings war die Technik auf diesen Schiffen unzureichend: es gab keine Maschinen und demzufolge keinen Strom (mit allen Folgen). Nicht einmal Öfen gab es an Bord. Der alte Laeisz meinte: „Was wollt ihr mit 'nem Ofen — ihr erkältet euch doch nur!”. Mit der Sicherheit war es schlecht bestellt. Die Schiffe hatten nur ein einziges Kollisionsschott. Der Rest des Schiffes war ein großer Raum: sie Schiffen sanken wie ein Stein. Die Windjammer waren nicht langsamer als die Clipper, und auf der Route um Cap Horn waren Dampfer langsamer als die Windjammer.

Die Pamir und ihr nicht baugleiches Halbschwesterschiff Passat dienten nach dem 2.Weltkrieg als Segelschulschiffe. Auch der legendäre Fünfmaster „Preußen” gehörte zu dieser Reederei. Es war das erste Fünfmast-Vollschiff und es war der größte Segler ohne Hilfsantrieb, den es jemals gab. Die Taufpatin der „Preußen” war übrigens Erna Canel, die Großnichte von Carl Laeisz. An jenem 7.Mai 1902, als sie die „Preußen” auf der berühmten Segelschiffswerft von Joh. C. Tecklenborg in Geestemünde (heute ein Stadtteil von Bremerhaven) taufte, war sie 17 Jahre alt. Laeisz hatte drei Arbeitsfelder: Reederei, Schifffahrt und Seeschifffahrtsversicherungen.

Vollschiff „Preußen”
Segelfläche:5560 m²
Größte Masthöhe:68 m
Dauer einer Reise nach Chile
(beide Wege, einschließlich
Beladung):


etwa 146 Tage
Am 7.9.2020 wurde der frisch renovierte Frachtsegler „Peking” zum Hafenmuseum im Hamburger Hafen geschleppt. Außer der „Peking” existieren nur noch drei weitere Flying P-Liner der Reederei F. Laeisz:
  • Die „Pommern” als Museumsschff im finnischen Mariehamn,
  • die „Passat” als Museumsschiff in Travemünde
  • und die ehemalige „Padua” als russisches Schulschiff „Kruzenshtern”. Lediglich die „Kruzenshtern” ist noch voll fahrtüchtig.
Ein weiterer P-Liner, die „Pamir”, sank als Schulschiff 1957 in einem Hurrikan.

Im Webauftritt von Laeisz steht unter anderem, weshalb die Namen der Schiffe der Reederei Laeisz mit einem „P” beginnen, wie es zum Bau der „Preußen” kam, und was es mit der testamentarischen Spende zum Erbau der Hamburger Musikhalle auf sich hat. Die Musikhalle heißt seit Anfang 2005 wieder Laeiszhalle. Erbaut wurde sie von 1904 bis 1908 nach Plänen der Architekten Haller und Meerwein. Sie hat zwei Säle: Der kleine Saal besitzt 640 Plätze, der großer Saal 2000 Plätze.

Das Schicksal wollte es, dass männliche Angehörige dreier Generationen Laeisz innerhalb von nur vier Jahren starben. Da die Vornahmen ähnlich sind, sind Verwechslungen gar nicht so selten:


Architekt Bernhard Georg Jacob Hanssen und Architekt Wilhelm Emil Meerwein

Ohlsdorfer Friedhof, Grabmal Bernh. Hanssen Dieses und nächstes Foto:
Ein interessantes Detail: Der Engel auf dem Familiengrab des Architekten Bernh. Hanssen vergleicht gerade den Grundrissplan genau dieser Grabanlage mit der Wirklichkeit.
Ohlsdorfer Friedhof, Grabmal Bernh. Hanssen
Die beiden anderen Namen (Hanssen und Meerwein) haben etwas mit dem Bau des Hamburger Rathauses, des weiter unten beschriebenen Kontorhauses Laeisz-Hof und dem Verwaltungsgebäude der Hamburger Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft „Bei St. Annen” in der Speicherstadt zu tun. Auch beim 1878/1879 für die Silospeicher-Kommandit-Gesellschaft J.W. Boutin errichteten Kaispeicher B, in dem heute das „Internationale Maritime Museum Hamburg” untergebracht ist, sind sie als Architekten angegeben.[224, Seite 54]
Martin Haller war der Hauptarchitekt des Hamburger Rathauses. Nachdem auch nach dem zweiten Architekten-Wettbewerb für ein neues Rathaus in Hamburg von 1876 kein Baubeginn folgte, ergriff Martin Haller die Initiative. Er vereinigte alle Hamburger Architekten, deren Pläne bei dem Wettbewerb in die engere Wahl gekommen waren, zum „Rathaus-Baumeister-Bund”. Ein gemeinsamer Plan wurde erstellt.

1886, zehn Jahre später, begann der Bau des Hamburger Rathauses. Er dauerte fast 11 Jahre.

Die Baumeister neben Martin Haller waren: Johann Grotjan, Bernhard Hanssen, Wilhelm Hausers, Emil Meerwein, Hugo Stammann und Gustav Zinnow.


Das Grabmal Familie Meerwein

Wilhelm Emil Meerwein (*17.9.1844 Amsterdam; †25.1.1927 Hamburg) hatte bis 1905 zusammen mit seinem Studienfreund Bernhard Hanssen ein sehr erfolgreiches Archtitekturbüro betrieben.

Das Familiengrab Meerwein wird beim Eintritt in die Gesamtanlage (Canel, Hanssen, Laeisz und Meerwein) leicht übersehen, denn der Blick fällt dabei auf die große Grabwand Canel. Auch beim Verlassen der Gesamtanlage läuft man leicht am Familiengrab Meerwein vorbei. Dabei ist das 1892 aufgestellte und fast 2½ m hohe Grabmal durchaus interessant:

Architekt Bernhard Georg Jacob Hanssen und Architekt Wilhelm Emil Meerwein

Friedhof Ohlsdorf, Familiengrab Meerwein Friedhof Ohlsdorf, Familiengrab Meerwein

Die Inschrift auf dem Balken des Kreuzes ist nicht ganz leicht zu entziffern. Sie lautet:

FR I E D E
sei mit Euch

Das Kontorhaus Laeisz-Hof

Das Kontorhaus Laeisz-Hof
Laeisz-Hof27.12.2003 Laeisz-Hof, der Pudel auf dem Dach

LAEISZ-HOF

1897-98 als Kontorhaus für die Firma F. Laeisz nach Plänen von Bernhard Hanssen, Emil Meerwein und Martin Haller gebaut. Hamburger Seeassecuradeure wurden seinerzeit als Mieter aufgenommen.

Am Nikolaifleet, dem ehemaligen Hamburger Hafen, gelegen, dokumentiert das historistische Gebäude Traditionsbewußtsein und den Einfluss der wilhelminischen Ära.

Die von Bruno Kruse geschaffenen Statuen stellen Wilhelm I., Bismarck, Roon und Moltke dar.

Das alte Kontorhaus „Laeisz-Hof” steht bei der „Trostbrücke” in der Hamburger Innenstadt.

Das Verwaltungsgebäude wurde 1904 bezogen. Auf einer am Gebäude angebrachten blauen Erklärungstafel finden sich die Architekten Martin Haller, Bernhard Hanssen und Emil Meerwein wieder. Der auf der Erklärungstafel erwähnte Bildhauer und Medailleur Bruno Friedrich Emil Kruse (*1855; †1906) gestaltete auch die Statue „Engel mit Kind” für das Familiengrab Hanssen.

Der Pudel über dem Dach erinnert daran, dass Frau Laeisz ihren widerspenstigen Haare den Spitznamen „Pudel” verdankt. Deshalb begannen die Schiffsnamen der Reederei mit dem Buchstaben „P”.

Das Gebäude wurde von den Architekten Johann Grotjan und der Architektengemeinschaft Hanssen & Meerwein entworfen: Architekt Bernhard Georg Jacob Hanssen (*12.4.1844 in Hamburg; †3.9.1911 in Travemünde), Baumeister Wilhelm Emil Meerwein (*17.9.1844 in Amsterdam; †25.1.1927 in Hamburg). Bernhard Hanssen und Emil Meerwein sind auf der gemeinsamen Grabanlage in Ohlsdorf begraben.

Letztes Upload: 25.03.2023 um 04:23:01 • Impressum und Datenschutzerklärung