Ohlsdorfer Friedhof • Vom alten Wasserturm zum Eingang Kleine Horst:
Die Gemeinschaftsgrabstätte für 16 Opfer der Explosion des Gasspeichers auf dem Grasbrook am 7.12.1909 (AF19, 1-16)

Ruhestätte Philipp Morelli und Frau Florian J. Greiling — der Bücherstapel
Die Fortsetzung des Weges führt an der Rückseite der Kapelle 7 vorbei und geht in den Fußweg unmittelbar links neben der Gärtnerei. Nur wenige Schritte in den Weg hinein zeigt sich rechts (nördlich) des Weges die Gemeinschaftsgrabstelle für die Grasbrookopfer.
Gemeinschaftsgrabstelle Grasbrookopfer Was war geschehen? Im jetzigen Überseequartier der Hamburger HafenCity, ziemlich genau dort, wo gegenwärtig (Ende 2018) das von Unilever gemietete Verwaltungsgebäude steht, ereignete sich am 7.12.1909 um 15 Uhr eine sehr heftige Explosion. Explodiert war der nur kurz vorher fertig gestellte neue 4-hübige Teleskop-Gasspeicher.[1] Das 71 m hohe Bauwerk von 74 m Durchmesser und 30 000 t Gewicht[2] war zur Hälfte, d.h. mit 100 000 m3 Gas, gefüllt gewesen.

Die Untersuchung der Explosionsursache ergab, dass die Stahlträger am Boden des Wasserbassins zu schwach bemessen waren. Dadurch brachen Bodenbleche; das für die Abdichtung des Gasbehälters verwendete Wasser lief aus und überflutete das Gelände des Gaswerks. Das nun ausströmende Gas entzündete sich. Das folgende Feuer verursachte um 16:30 auch die Explosion des benachbarten älteren Gasspeichers. Insgesamt waren 30(? oder 20 — widersprüchliche Angaben) Todesopfer und 42 Verletzte zu beklagen.[3] Von den Todesopfern wurde 16 in der hier beschriebenen Grabstätte beigesetzt.

Links und rechts des auf das Grabdenkmal zulaufenden Weges liegen jeweils jeweils 8 Grabplatten in einer Reihe. Die Todestage der hier Bestatteten gehen vom 7. bis zum 20. Dezember. Die vorderen vier linken Grabplatten tragen die Namen von Frauen, die übrigen zwölf tragen Männernamen. Die Frauen waren in der nahegelegenen Betriebskantine beschäftigt.
Die Granitfindlinge des Denkmals sollen 1910 bei Bauarbeiten für die Turnhalle des Eimsbütteler Turnverbandes e.V. gefunden worden sein. Die angebrachte Tafel trägt die Inschrift:
DEM ANDENKEN DER AM
7. DEZEMBER 1909 BEI DEM BRANDE
AUF DEM GROSSEN GRASBROOK
VERUNGLÜCKTEN GEWIDMET.
Gemeinschaftsgrabstelle Grasbrookopfer. Schild an der neu aufgestellten Sitzbank Die Gemeinschaftsgrabstätte wurde kurz vor Aufnahme der hier gezeigten Fotos restauriert. Das an der neu aufgestellten Sitzbank angebrachte Schild bezieht sich darauf.
Gaswerk Grasbrook im Jahre 1910 von der gegenüberliegenden Elbseite aus gesehen.[300]

Fußnoten
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  • [1] Über den zeitlichen Abstand zwischen Fertigstellung des Gasbehälters und dem Unglück weicht die Angabe „10 Wochen” in Wikipedia[„Gasometer Grasbrook”, Abruf 12.12.2018] erheblich von diversen anderen Sekundärquellen ab. Beispielsweise wird in Helmut Schoenfeld: „Unglücksfälle im Hamburger Hafen — Gedenkstätten in Ohlsdorf” Zeitschrift für Trauerkultur, Ausgabe: Nr. 105, II, 2009 ein Abstand von 10 Tagen genannt.

    [2] Technische Angaben u.a. laut www.gaswerk-augsburg.de, Abruf am 9.2.2021.

    Weitere Einzelheiten sind in der deutschen Wikipedia unter dem Suchbegriff „Gasometer Grasbrook” beschrieben. Folgt man den dortigen Links, kann man erfahren, wie ein Teleskop-Gasspeicher funktioniert und wie es zum unpassenden Ausdruck „Gasometer” für diese Art von Gasspeichern gekommen ist.

    [3] Die Anzahl der Todesopfer wird — je nach Quelle — mit 14, 20 oder 30 angegeben. Auch für die Anzahl der Verletzten werden je nach Quelle unterschiedliche Zahlen genannt.

    Ein von Charles Trampus gefertigtes eindrucksvolles Foto von dem Brand ist auf gettyimages veröffentlicht.

    Auf der Rückseite der zeitgenössischen Ansichtspostkarte „Die Katastrophe der Gaswerke in Hamburg”[Photographie vom Atelier Schaul (Hamburg, Speersort 24), Druck und Verlag W. Nölting, Hamburg] wird das Unglück wie folgt beschrieben:
    »Das schreckliche Brandunglück der Gaswerke auf d. Grasbrook

    Die Explosion zweier Gasometer am 7. Dezember 1909.

    Um 3 Uhr flog der mit einem Kostenaufwand von 14 Million Mark erbaute neue Riesen-Gasometer, der grösste d. Kontinents, in die Luft und um 4½ folgte der alte Gasometer nach.

    Vierzehn Tote und 40 Verletzte zählte man.«

    Wohl am zuverlässigsten ist folgende Schilderung der Ereignisse von Wilhelm Melhop.[169 Band 2, Seiten 290 ff, gekürzt zitiert] In Hamburg war Wilhelm Melhop 1901 von der Baudeputation in die Deputation für das Beleuchtungswesen gewechselt.
    »1908 begann der Umbau des Gaswerks Grasbrook zur Erhöhung seiner Leistungsfähigkeit. Das Werk vermochte von allen drei Werken am billigsten zu produzieren, weil es zufolge seiner Lage am offenen Elbstrom das Entlöschen der englischen Kohle aus den Schiffen ohne Zwischenlagerung gestattet; ferner konnte man annehmen, das dies Werk als Mittelpunkt für die städtische Gasversorgung mit einer großen Zunahme des Gasverbrauchs zu rechnen haben werde. Der Umbau des Werkes wurde dadurch beschleunigt, dass an dem Westufer des Magdeburger Hafens zwischen diesem und dem Gaswerksgebiet ein Schuppen für Südfrüchte hergestellt werden sollte; um für diesen die nötigen Tiefe nebst der erforderlichen Fläche für eine Straße und die Ladegleise zu erhalten, musste die Grenze des Werkes im Norden um 25 m, im Süden um 5 m nach Westen verschoben werden. Dafür wurde 1908–1909 die Gaswerkstraße an der Nordseite des Werkes zum Fabrikplatz entfernt, und durch diesen Streifen ein Teil des abgebrochenen Geländes wieder gewonnen.

    Westlich vom neuen Kohlenspeicher errichtete man 1908–1909 nach Beseitigung des dortigen alten 15 500 cbm fassenden Behälters und unter Mitbenutzung des Platzes der Ammoniakfabrik, einen Gasbehälter von 200 000 cbm Inhalt mit einem Durchmesser von 71 m, gleich der Höhe des alten, 1914 abgebrochenen Gasturms (Schornstein). Der Behälter liegt mit seiner unteren Fläche so hoch überm Gelände des Werkes, dass die Eisenbahn unten durchgeführt werden konnte. Kaum in Betrieb genommen, brach am Nachmittag des 7. Dezember 1909 der Boden des hochgelegenen Wasserbeckens dieses Behälters durch und das unter Druck ausströmende Gas geriet in Brand. Die Flammen übten weithin eine verheerende Wirkung. Das Dach des nur 8 m von dem großen stehenden, älteren 50 000 cbm-Behälters fing Feuer; da die Feuerwehr nicht genügend einzugreifen vermochte, brannte auch dieser aus, indessen ohne Menschen zu verletzen. Insgesamt verbrannten etwa 130 000 cbm Gas. Bei dem Bruch des großen Behälters wurden 72 Menschen verletzt, davon fanden 20 infolge der Brandwunden ihren Tod, deren 13 unmittelbar nach dem Unglück, während von den 16 schwer verletzten Leuten nachher noch sieben starben. Von den 20 Toten wurden vier auf Verlangen der Angehörigen auswärts beerdigt, 16 konnten auf dem Ohlsdorfer Friedhof zur letzte Ruhe auf Kosten der Deputation für das Beleuchtungswesen, die auch für eine würdige Ausstattung der Grabstätte und für die Aufstellung eines Gedenksteines sorgte. Für die hinterbliebenen Witwen und Waisen (11 bzw. 30) kamen zufolge Aufrufs rund 54 000 Mark zusammen (Grasbrooknotspende). Aus diesen Mittel erhielten die Hinterbliebenen Entschädigungen und laufende Unterstützungen.

    Der Betrieb des Werkes konnte am nächsten Tag wieder aufgenommen werden. […] Der kleinere ausgebrannte Behälter kam am 7. November 1910 wieder in Betrieb. Die Wiederherstelllung des 200 000 cbm Behälter-Bauwerks dauerte bis gegen Ende 1911; am 20. November des gen. Jahres war auch er wieder betriebsfertig.«
Letztes Upload: 13.05.2023 um 19:36:13 • Impressum und Datenschutzerklärung