Friedhof Ohlsdorf • Der kleine Ring:
Die Kapelle 1 und der Gedenkstein zur Friedhofseröffnung

Die Gemeinschaftsgrabstätte St. Michaelis Das Grabmal Wagner von 1879
Friedhof Ohlsdorf, Kapelle 1 Friedhof Ohlsdorf, Kapelle 1
Das Foto oben links zeigt die jetzige Kapelle 1 mit dem Haus der Friedhofsgärtnerei rechts im Vordergrund. Das obere rechte Foto zeigt die zur Fahrstraße „Kapellenstraße” weisende Seite am 7.2.2010. Den Vordergrund dieses Fotos bildet ein Fußweg auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Er führt auf die Kapelle zu.
Hier stand von 1880 bis 1965 eine provisorische Kapelle aus holzverschaltem Fachwerk. Der Ausschnitt aus einer 1904 gelaufenen Postkarte zeigt jene Kapelle. Erst 1965 wurde das provisorischen Gebäude der Kapelle 1 durch das jetzige Gebäude ersetzt.
Vom Fußweg an der Kapellenstraße schweift der Blick zur Kapelle 1. Am Vormittag des 11.12.2012 herrschte nicht viel Betrieb auf dem Friedhof — ob es am Wetter lag?

Plakette an dem Gedenkstein zur Eröffnung des Ohlsdorfer Friedhofes nahe Kapelle 1
Geht man in den Weg hinein, von dem aus das zweite Foto auf dieser Seite aufgenommen wurde, so kommt man an dem Gedenkstein zur Friedhofseröffnung vorbei. Der Gedenkstein steht gegenüber der Kapelle auf der anderen Straßenseite, etwa 10 Meter den Fußweg hinein. Er wurde im Jahre 1902 anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Friedhofs gesetzt. Das obere Foto zeigt die Plakette an diesem Gedenkstein. Der Text auf der Plakette lautet:

Im Jahre 1877 am 1.Juli
ist dieser Friedhof unter
Einsenkung der ersten drei Särge
neben diesem Stein feierlich eröffnet.

Es ist immer wieder erstaunlich, was für wundersame Worte die deutsche Sprache hervorbringt. Für die drei zuerst Beerdigten habe ich die Bezeichnung „Zuerstbeerdigte” gefunden. Da fehlen nur noch diese drei Hinweise: ® © ™

Die Eröffnung des Ohlsdorfer Friedhofs
Das Allgemeine Krankenhaus in St. Georg besaß einen Vertrag über die Aufnahme von Krankenhausleichen auf dem in Wandsbek gelegenen St. Jocobifriedhof. Der Vertrag war zum 1.4.1877 ausgelaufen und konnte nur bis zum 1.7.1877 verlängert werden. Somit wurde der 1.7.1877 als Eröffnungsdatum des neuen Friedhofs in Ohlsdorf festgelegt.[201, Seite 224, Ziffern 60 und 61]

Die feierliche Eröffnung erfolgte durch Senator Versmann. Er führte u.a. aus: „Wir haben geglaubt, den Akt der Eröffnung des neuen Friedhofes nicht würdiger begehen zu können, als durch die Verbindung desselben mit dem ersten hier stattfindenden Begräbnis.”[206, Stichwort „Friedhofseröffnung”]

Der „Hamburgische Correspondent” vom 3.Juli 1877 berichtet über Weg des Trauerzugs von der Kapelle zur Grabgrube: […] worauf sich der Zug ordnete und nach dem in ziemlicher Entfernung von der Capelle ausgehobenen gemeinschaftlichen Grabe in Bewegung setzte. Ueber demselben war ein laubumwundenes Holzgerüst errichtet und ein Altar improvisirt.

Beigesetzt wurden

  • Eva Maria Stülken geb. Luegerbauer, Frau eines Tischlers, 39½ Jahre
  • Hans Hinrich Davidsen, Arbeitsmann, 45 Jahre
  • Heinrich Anton Schmidt, Arbeiter, 53 Jahre
Auf dem gemeinschaftlichen Grab wurde kein Grabstein gesetzt. Genau 25 Jahre nach der Beisetzung wurde der Gedenkstein aufgestellt und es wurden drei Trauerbuchen gepflanzt. Bemerkenswert ist, dass es sich um ein gemeinschaftliches Grab handelt. Hierzu seien einige Zitate aus dem „Bericht über das hiesige Beerdigungswesen mit Bezug auf die öffentliche Gesundheit” des Medizinalinspektors Dr. Kraus vom 23.8.1872 gestattet. Er machte einige Reformvorschläge.[201, Seite 20] Für die damalige Zeit eine Besonderheit war die Bestattung aller in wiederauffindbaren Einzelgräbern.

Medizinalinspektor Dr. Kraus forderte das gesetzmäßige Verbot weiterer Beerdigungen auf den innerhalb der bewohnten Gegenden der Stadt und Vorstadt gelegenen Begräbnisplätzen und die Einführung der Einzelbeerdigung: Jeder Sarg wird in eine Erdgruft für sich gesetzt und mit Erde sofort überdeckt.

Damit die Verwesung möglichst schnell erfolgt, sollten die Gräber zwischen 1,5 und 2 m tief liegen und vom Nachbargrab durch 30 cm Erdschicht getrennt sein. Nach der Beendigung ihrer Ruhezeit sollten die Gräber umgegraben und noch vorhandene Gebeine in den Boden der Gruft eingegraben werden. Die Gräber sollten nummeriert und in einem Register eingetragen werden.

Krause schrieb auch, dass eine Leichenverbrennung als das Mittel der schnellsten und unschädlichsten Verwesung anzusehen ist. Er hielt dies Verfahren für nicht durchsetzbar, da es am Pietätsgefühl und dem überlieferten Gedanken einer durch Religion und Sitte gebotenen Beerdigung scheitern würde.

Im gleichen Buch steht allerdings auf Seite 50 über das Armen- bzw. Krankenhausgrab (dem sogenannten „gemeinsamen Grab”): Der Einfachheit halber wurden auf dem neuen Friedhof wieder Gräber, allerdings flach und in 4 m Breite, ausgehoben. Die Särge wurden in zwei Reihen ohne Zwischenraum nebeneinander und mit dem Kopfende gegeneinander gelegt. Die Erdwand zwischen den Gruben war 50 cm breit.

Familiengrab Hein Hinrich Schwen Familiengrab Hein Hinrich Schwen Fotos links:
Grabstein auf dem Familiengrab Schween
Es ist schon seltsam, wie das Schicksal spielt. Hein Hinrich Schwen (*30.4.1819; †30.6.1877) war der Vorbesitzer des ersten Teils des Friedhofsgeländes. Er starb genau am Tage vor der Friedhofseröffnung. Das Grab befindet sich nur 10 m vom Gedenkstein zur Friedhofseröffnung entfernt im Planfeld T9,96-100.

Sein Wohnhaus stand dort, wo jetzt der Haupteingang des Ohlsdorfer Friedhofs ist — an der Fuhlsbüttler Straße gegenüber der Einmündung der Alsterdorfer Straße. Das Haus erhielt einen kleinen Turm an der Giebelseite über dem Eingang und diente als provisorische Kapelle, Wohnung und Büro für den Friedhofsaufseher. 1879 wurde der Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes und einer zweiten Kapelle beschlossen. Diese zweite Kapelle ist die weiter oben erwähnte provisorische Kapelle aus holzverschaltem Fachwerk.

Das „Schwen'sche Bauernhaus” wurde 1896 abgerissen.[206,Seite 47]

Letztes Upload: 25.03.2023 um 04:23:02 • Impressum und Datenschutzerklärung