Außen um den Friedhof Ohlsdorf herum:
Das alte Krematorium in der Alsterdorfer Straße

Der Haupteingang des Ohlsdorfer Friedhofs Der Fußgängereingang Ohlsdorf
Gegenüber dem Friedhofshaupteingang mündet die Alsterdorfer Straße in die Fuhlsbüttler Straße. Hier lohnt sich ein kleiner Umweg, denn nur 400 m die Alsterdorfer Straße hinab steht das „Alte Krematorium”. Es ist das älteste erhaltene Krematoriumsgebäude Deutschlands.
Das alte Krematorium in der Alsterdorfer Straße Rückseite Das Foto links zeigt die Rückseite des alten Krematoriums am 6.1.2003.
Der Entwurf des Gebäudes stammt von Ernst Paul Dorn. Der Entwurf des zugehörigen, aber nicht mehr vorhandenen, Urnengartens stammt vom Friedhofsdirektor Wilhelm Cordes.

Von außen betrachtet ist es ein total verwirrendes Gebäude ― man glaubt auf den ersten Blick, eine kleine Fabrik zu sehen, die in verschiedenen Bauabschnitten errichtet wurde.

Das alte Krematorium in der Alsterdorfer Straße, Vorderseite am 6.1.2003. Die grauen Statuen hat wohl der Restaurantbetreiber aufgestellt. Damals wurde das Gebäude von einem italienischen Restaurant genutzt.
Ursprünglich stand nur der 8-eckige Zentralbau. Da der Betrieb weiterhin gut lief, wurden 1911 zwei angebaute Warteräume für Trauergäste und ein „Raum des Geistlichen” in Benutzung genommen. Es handelt sich um die weißen Anbauten links und rechts vom Zentralbau und der Anbau mit dem Oberlicht links neben dem Eingang.
Das alte Krematorium in der Alsterdorfer Straße vor 1912 Repro links: Das alte Krematorium in der Alsterdorfer Straße vor 1912 noch ohne die Anbauten.
Der Schornstein des Krematoriums ist rund 25 Meter hoch — so wollte es die baupolizeiliche Vorschrift.

Tatsächlich finden sich barocke, romanische, byzantinische und industrielle Stilelemente unter verschiedenen Dachformen und einem mit Zinnen gezierten Schornstein auf einer achteckigen Trauerhalle mit einigen Anbauten zusammen.

Die achteckigen Trauerhalle im Erdgeschoss bot Platz für rund 100 Personen. In der Vorhalle befand sich die Empore und ein Harmonium. In einer Nische gegenüber dem Haupteingang wurde der Sarg aufgebahrt. Er stand auf einem Katafalk. Zum Ende der Trauerfeier wurde der Katafalk, der das obere Ende einer Hebevorrichtung darstellte, mitsamt dem Sarg abgesenkt. Die dabei entstehende Öffnung wurde durch eine Rolljalousie rasch verschlossen, um den Trauergästen den Anblick der technischen Einrichtung zu ersparen.

Der „Hamburg-Altonaer Verein für Feuerbestattung” hat dies Krematorium erbauen lassen. Er hatte in kurzer Zeit genügend Geld gesammelt, um einen Architektenwettbewerb auszuschreiben und das Krematorium von Ernst Paul Dorn errichten zu lassen. Die Bauzeit von der Grundsteinlegung bis zur Einweihung betrug weniger als Jahr: Sie dauerte vom 18.10.1890 bis zum 22.8.1891.

Es dauerte jedoch einige Zeit, den Senat und die Bürgerschaft von dieser Bestattungsart zu überzeugen. Noch nach der Fertigstellung des Krematoriums stritten sich die Bürgerschaft und Senat darüber, ob ausschließlich Verstorbene aus dem Hamburger Staatsgebiet hier eingeäschert werden durften. Der Senat war dieser Ansicht, die Bürgerschaft wollte hier keine Beschränkung. Dann kam jedoch die Choleraepidemie. Sie machte die ungenügenden hygienischen Verhältnisse Hamburgs erschreckend deutlich, und die Betriebsgenehmigung für das Krematorium wurde erteilt. So konnte es geschehen, dass 1892 nicht nur der neue Zentralschlachthof in Hamburg in Betrieb genommen wurde, sondern auch das Krematorium. Vorher dahin gab es nur in Gotha und in Heidelberg Öfen, in denen Verstorbene verbrannt werden konnten.

Erst über ein Jahr nach Einweihung des Krematoriums fand die erste Einäscherung statt. Sie erfolgte kurz nach dem Ende der Choleraepidemie am 19.11.1892.[201,Seiten 53f] Anfänglich wurde nicht sehr häufig eingeäschert. Beispielsweise kam man 1895 auf ganze 41 Einäscherungen.

Das Schamottgestein der Öfen wurde mit Koks oder Holz auf Temperatur gebracht. Nach dem Einäschern wurden mittels eines silbernen Aschebestecks die sterblichen Überreste des Verstorbenen von den Eisenbeschläge des Sarges und den Holzresten getrennt.

An dem Verfahren hat sich einiges geändert. Heute erhitzen Flammen lediglich das Gestein, denn aus Gründen der Pietät darf der Leichnam keinen direkten Kontakt zur Flamme haben. Durch die Hitze der Steine entzündet er sich selbst. Statt eines silbernen Besteckes arbeitet eine Ascheaufbereitungsanlage. Magneten entfernen Eisenteile, Walzen zermalmen Knochenreste. Das Pulver, das übrig bleibt, wird in die Urne gefüllt.

1915 wurde das Krematorium und sein 1904 eingerichteter kleiner Urnenhain an den Staat abgetreten. Mit Einweihung des „Neuen Krematoriums” auf dem Gelände des Ohlsdorfer Friedhofs wurde 1933 das alte Krematorium nach nur 41 Jahren außer Betrieb genommen.

Die letzte Beisetzung auf dem kleiner Urnenhain fand 1954 statt. Heute erinnern nur noch kleine Hügel an den Landschaftsgarten des Urnenhains. Das achteckige Gebäude und sein 1911 errichteter Anbau wurden 1997 gründlich renoviert und zu einem Restaurant umgebaut.

Altes Krematorium innen Altes Krematorium innen
Das 1997 eröffnete Restaurant lief anfänglich recht gut. Später sackte der Umsatz ab und es wurde geschlossen. Mitte 2008 planen die Flachsland Zukunftsschulen gemeinnützige GmbH eine neue Nutzung als Mittelding aus Kindertagesstätte und privater Ganztagsschule. Am „Tag des offenen Denkmals 2008” bot sich die Möglichkeit, das leergeräumte Innere des Krematoriums zu besichtigen. Die beiden an diesem Tag gemachten Bilder zeigen die Haupthalle. Auf der Empore spielte wohl früher die Bestattungskapelle.

Unter der Kuppel in der Haupthalle fanden die Trauerfeiern statt — etwa hundert Trauergäste hätten hier Platz gehabt.

In den Wänden der zentralen Trauerhalle waren Kolumbarien (lat. Taubenschläge) zur Unterbringung der Urnen eingerichtet. Aber der Platz in den Kolumbarien wurde bald zu knapp. Man behalf sich, indem man zwischen 1901 und 1904 rund um das Krematorium einen Urnenfriedhof anlegte. Der Urnenfriedhof — er wurde auch als Urnenhain oder Urnengarten bezeichnet — wurde 1979 aufgehoben.

Quellenhinweis: Ein Teil der Informationen, die ich bei der Ausarbeitung dieser Seite zusammengetragen habe, stammt aus zwei Veröffentlichungen von Norbert Fischer. Die eine Veröffentlichung habe ich im Internet gefunden, die andere steht unter dem Titel „Technik, Tod und Trauerkultur — Zur Einführung der Feuerbestattung in Hamburg 1892” in der Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Band 79, erschienen 1993.

Letztes Upload: 25.03.2023 um 04:23:03 • Impressum und Datenschutzerklärung